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Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
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Lohnzahlung während eines Arbeitskampfes 183

1 Die Auslegung der Tarifvertragsklausel

Ob die Zahlungen der Beklagten unter das Maßregelungsverbot fallen oder nicht, ist zunächst eine Auslegungsfrage. Während für den schuldrechtlichen Teil des Tarifvertrages die allgemeinen privatrechtlichen Auslegungsregeln gel­ten,!® gelten für den normalen Teil die gleichen(objektiven) Auslegungsgrund­sätze wie für die Gesetzesauslegung, wobei dem übereinstimmenden Willen der Tarifparteien, so wie er sich aus den Materialien zum Tarifvertrag und aus der bisherigen Tarifpraxis ergibt, eine mindestens ebenso große Bedeutung beizu­messen ist wie dem historischen Willen des Gesetzgebers!0!.

Grundsätzlich sind die Tarifnormen daheraus sich selbst heraus zu interpre­tieren!®,

Das Maßregelungsverbot ist eine Inhaltsnorm,'® es unterliegt somit einer an ob­jektiven Kriterien orientierten Auslegung!®,

Das Maßregelungsverbot soll die streikenden Arbeitnehmer vor Benachteiligun­gen aus Anlaß einer Arbeitsniederlegung schützen!®5,

Die Frage, ob die Kläger aus dem tariflichen Maßregelungsverbot Ansprüche auf Prämienzahlung ableiten können, konzentriert sich deshalb auf die Frage, ob überhaupt eineMaßregelung vorliegt.

2 Die Auffassung der Arbeitsgerichte

Das Arbeitsgericht hatte dazu gemeint, da nur einUnterlassen in Rede stehe, könne von einer Maßregelung nur gesprochen werden, wenn ein Rechtsanspruch auf die Leistung bestanden habe; da jedoch weder der Gleichbehandlungsgrund­satz noch Art. 9 Abs. 3 GG verletzt sei, liege keine Maßregelung vor. Das Landesarbeitsgericht hat demgegenüber angenommen, daß die zweite Zahlung gegen das Maßregelungsverbot verstoße.

Es ist zu prüfen, ob dieMaßregelungsklausel eine solche Interpretation trägt. Der Wortlaut(verstanden als Gesamtheit der lexikalisch möglichen Wortbedeutun­gen im Sinne der Semantik) schließt die vom LAG vertretene Interpretation nicht eindeutig aus. Bei mehrdeutigem Wortlaut ist das Gemeinte zunächst anhand der Vorstellungen der Tarifparteien und der feststehenden Tarifpraxis zu ermitteln!®,

Das Maßregelungsverbot des vorliegenden Tarifvertrags verwendet eineFor­mel, die so oder in ähnlicher Form auch in anderen Tarifverträgen immer wie­der anzutreffen ist!®,

Mangels anderer Anhaltspunkte ist deshalb davon auszugehen, daß im strittigen Einzelfall die Tarifvertragsparteien mit der gewählten Formulierung keine von dieser Tarifpraxis abweichende Regelung treffen wollten!®,