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Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
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Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich? 201

entsprechende Preissteigerungen auf die Konsumenten abzuwälzen. Da ein tarif­lich vereinbarter voller Lohnausgleich alle Unternehmen zumindest eines be­stimmten Industriezweiges in gleicher Weise trifft, sind die Aussichten für eine Kostenüberwälzung relativ günstig. Untersuchungen der Preisbildung und der Preispolitik haben gezeigt, daß sich im mittelfristigen Trend Kosten und Preise nahezu parallel bewegen®. Nachfolgend seien zwei Fälle unterschieden.

a)

b)

Lohn- und Preiserhöhungen betreffen in ähnlicher Weise alle Zweige der Wirtschaft. Dabei möge das Preisniveau prozentual etwas weniger stark ge­stiegen sein als das Lohnniveau, da von den zu überwälzenden Lohnkosten zunächst die Kosteneinsparungen durch erhöhte Produktivität abgezogen werden. In unserem Beispiel werden nicht 23,6 Mio DM, sondern infolge der Produktivitätsersparnis von 7 Mio DM nur 16,6 Mio DM überwälzt und füh­ren zu Preissteigerungen(inflatorischer Effekt)?. Alle Arbeitenden verfügen zwar über höhere Löhne, sehen sich aber auch höheren Preisen gegenüber. Der reale Vorteil entspricht dem, was durch Erhöhung der Produktivität an Kosten eingespart werden konnte.

Es lassen sich zwei Sektoren der Wirtschaft unterscheiden. In Sektor 1 voll­ziehen sich Lohn- und Preiserhöhungen wie unter a) geschildert. Sektor 2 bleibt von dieser Entwicklung unberührt: Weder erhöhen sich hier die Löh­ne, noch werden die Preise der von diesem Sektor hergestellten Produkte an­gehoben.

Hier ergibt sich ein Vorteil für jene, die dem Wirtschaftssektor 1 angehören, gegenüber einem entsprechenden Nachteil derer, die dem Wirtschaftssektor 2 zuzurechnen sind. Angehörige des Sektors 1 können einen Teil der von ihnen benötigten Güter zum alten Preis einkaufen; infolge der gestiegenen Löhne verfügen sie über eine höhere Kaufkraft.

Umgekehrt müssen die Angehörigen des Sektors 2 für einen Teil der von ih­nen benötigten Güter einen höheren Preis zahlen, obwohl ihr Lohn nicht ge­stiegen ist; ihre Kaufkraft ist gemindert.

Die relative Verschiebung der Preise des Sektors 1 gegenüber den Preisen des Sektors 2 letztere sind relativ günstiger geworden kann zu entsprechen­den Nachfrageverschiebungen zugunsten der Firmen des Sektors 2 führen, d.h. zugunsten jener Industrien, die sich von der Produktionsseite her als we­niger innovativ erwiesen haben.

Die hier kurz skizzierten Kaufkraft-Verschiebungen ließen sich vermeiden, wenn Arbeitszeitverkürzungen und der daran anknüpfende Lohnausgleich unabgängig von der Lage des einzelnen Industriezweigs in gleicher Höhe für die Gesamtwirtschaft vorgenommen würden. Es ergäbe sich dann annähernd eine Situation, wie sie unter a) beschrieben ist.