Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich? 213
Würde man z.B. in einer solchen Situation eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich vornehmen, so würde dadurch, wie in Abschnitt III. 2. dargelegt, das Nutzenniveau der in diesem Sektor Beschäftigten erhöht und damit ein Abwandern in andere aufnahmebereite Arbeitssektoren verhindert werden. Ferner würde der Zustrom zu dem überbesetzten Sektor nicht nur nicht gehemmt, sondern umgekehrt sogar noch gefördert werden.
Soll das Gegenteil bewirkt, nämlich ein Überwechseln zu anderen Arbeitssektoren gefördert und der Zustrom gedrosselt werden, dann muß die Lohnausgleichszahlung unterhalb der Kurve des kompensierenden Lohnausgleichs liegen. Ihre Höhe ist so bemessen, daß ein vernünftiger Kompromiß zwischen dem Gesichtspunkt 1(Vermeidung sozialer Härten) auf der einen und dem Gesichtspunkt 3(Steuerung der Arbeitskräfte in aufnahmefähige Arbeitssektoren) auf der anderen Seite erreicht wird.
Für den Fall, daß die soeben beschriebene Maßnahme 1— nach einer angemessenen Übergangszeit— noch nicht zu einem befriedigenden Ergebnis geführt hat, kann das folgende Vorgehen in Erwägung gezogen werden: Bei Fortbestehen des Überangebots an Arbeit(der betrachteten Art) nach Verwirklichung der Maßnahme 1 während eines längeren Zeitraums— z.B. während eines Jahres— ist die(Normal-)Arbeitszeit, von der ausgehend die Lohnausgleichszahlung berechnet wurde, nach unten zu korrigieren. Welche Folgen damit verbunden sind, sei an einem Beispiel verdeutlicht:
Die Normal-Arbeitszeit betrage 40 Stunden. Für die betrachtete Arbeitsart bestehe schon seit über einem Jahr ein Überangebot, das zu einer Arbeitszeitverkürzung um 20%, also auf 32 Wochenstunden geführt hat. Die Lohnausgleichszahlung wurde bislang, ausgehend von einer 40stündigen Wochenarbeitszeit, wie oben beschrieben berechnet. Nach Ablauf eines Jahres wird nun die Bezugszeit für die Errechnung des Lohnausgleichs von 40 z. B. auf 36 Stunden herabgesetzt. Die Bedeutung dieser Maßnahme liegt darin, daß die Lohnausgleichszahlungen dadurch fühlbar herabgesetzt werden.
Schon das Wissen darum, daß nach einer bestimmten Übergangszeit die Lohnausgleichszahlung gekürzt wird, schließlich— falls das Wissen allein noch keine hinreichende Reaktion ausgelöst hat— die Wirkung des relativ niedrigeren Lohnes selbst, wird den Zustrom neuer Arbeitsuchender für diese Arbeitsart drosseln. Wer eine Ausbildung in dieser Arbeitsart erwägt, weiß, daß der Lohn, verglichen mit anderen Arbeitsarten, relativ niedriger sein wird. Er wird sich überlegen, ob er diesen Nachteil zugunsten des von ihm gewünschten Berufes(Arbeitsart) bereit ist, in Kauf zu nehmen, oder ob er nicht doch lieber einen anderen, stärker nachgefragten Beruf(Arbeitsart) wählen soll. Ferner: Arbeitnehmer, die bislang in der überbesetzten Arbeitsart tätig waren, werden zunehmend bemüht sein, sich für andere, stärker nachgefragte Arbeitsarten zu qualifizieren. Die