224 Tendenzen der Aus- und Weiterbildung
mal die„Befreiungspädagogik“, d.h. emanzipatorische Pädagogik und antiautoritäre Erziehung, die einen starken Widerhall bei Erziehungswissenschaftlern, Lehrern und Eltern fand und zum anderen eine Politisierung der Schule, die u.a. ihren Niederschlag in politischen Aktionen und Demonstrationen von Schülern und Lehrern fand.
Fehlende Leistungsmotivation und Lernbereitschaft, Vernachlässigung der Kulturtechniken, Praxisferne schulischen Lernens und Theorieüberforderung, übersteigertes einseitiges gesellschaftspolitisches Problembewußtsein und Vernachlässigung des Wissens waren Folgen der Bildungsreform auf der einen Seite. Auf der anderen Seite bewirkte sie eine größere Beteiligung breiterer Bevölkerungsschichten an schulischen und beruflichen Bildungsmaßnahmen.
Der mit dem Ruf nach höherer Bildung und mehr Abiturienten ausgelöste Bildungsboom führte zu einer Veränderung der Schülerströme mit der Folge eines starken Rückgangs der Zahl der Hauptschüler, einer Verdoppelung der Schülerzahl in der Realschule und einer Vervierfachung der Schülerpopulation im Gymnasium. Die Hauptschhule wurde zur„Restschule“ und damit Verliererin, Realschule und Gymnasium zu Gewinnern der Schulreform.
Auf dem Ausbildungsstellenmarkt resultierte diese Entwicklung in einer verschärften Wettbewerbssituation zwischen den Absolventen der Haupt-, Realund Gesamtschule und des Gymnasiums, die dadurch noch verstärkt wurde, daß ein wachsender Prozentanteil an Abiturienten mit heute über 40% sich der Berufsausbildung zuwandte.
Durch Verlängerung der Schulzeit und eine längere Verweildauer in Schule und Hochschule ist das Berufseintrittsalter inzwischen erheblich angestiegen. Im Vergleich zu anderen Ländern werden Jugendliche in der Bundesrepublik zu alt, bis sie Berufserfahrungen sammeln und berufliche Verantwortung übernehmen können. Das hohe Berufseintrittsalter hat einerseits eine steigende Immobilität des einzelnen durch die bereits vorgenommene private und familiäre Lebensplanung zur Folge, andererseits wird die private Lebensgestaltung durch den langen Bildungsprozeß in einem nicht unerheblichen Maße beeinflußt. Diese Tatbestände wie auch die Notwendigkeit lebenslanger Weiterbildung, mit der sich das Verhältnis von Bildung und Arbeit verschiebt, erfordern eine Verkürzung der Bildungszeit, zu der die Schule ihren Beitrag leisten muß.
Als weiterer Einflußfaktor auf das Bildungswesen wirkt gegenwärtig die demographische Entwicklung, d.h. der phasenverschobene Rückgang der Schülerzahlen und die damit verbundene Schließung von Schulen. Vordringliche Aufgabe derzeitiger Schulentwicklungsplanung ist es, eine optimale Bildungsversorgung mit weitmöglichster Beibehaltung der Ortsnähe der Schule, insbesondere bei Vorschule und Grundschule zu gewährleisten. Die demographische Entwicklung