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Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
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224 Tendenzen der Aus- und Weiterbildung

mal dieBefreiungspädagogik, d.h. emanzipatorische Pädagogik und antiau­toritäre Erziehung, die einen starken Widerhall bei Erziehungswissenschaftlern, Lehrern und Eltern fand und zum anderen eine Politisierung der Schule, die u.a. ihren Niederschlag in politischen Aktionen und Demonstrationen von Schülern und Lehrern fand.

Fehlende Leistungsmotivation und Lernbereitschaft, Vernachlässigung der Kul­turtechniken, Praxisferne schulischen Lernens und Theorieüberforderung, über­steigertes einseitiges gesellschaftspolitisches Problembewußtsein und Vernach­lässigung des Wissens waren Folgen der Bildungsreform auf der einen Seite. Auf der anderen Seite bewirkte sie eine größere Beteiligung breiterer Bevölkerungs­schichten an schulischen und beruflichen Bildungsmaßnahmen.

Der mit dem Ruf nach höherer Bildung und mehr Abiturienten ausgelöste Bil­dungsboom führte zu einer Veränderung der Schülerströme mit der Folge eines starken Rückgangs der Zahl der Hauptschüler, einer Verdoppelung der Schüler­zahl in der Realschule und einer Vervierfachung der Schülerpopulation im Gym­nasium. Die Hauptschhule wurde zurRestschule und damit Verliererin, Real­schule und Gymnasium zu Gewinnern der Schulreform.

Auf dem Ausbildungsstellenmarkt resultierte diese Entwicklung in einer ver­schärften Wettbewerbssituation zwischen den Absolventen der Haupt-, Real­und Gesamtschule und des Gymnasiums, die dadurch noch verstärkt wurde, daß ein wachsender Prozentanteil an Abiturienten mit heute über 40% sich der Be­rufsausbildung zuwandte.

Durch Verlängerung der Schulzeit und eine längere Verweildauer in Schule und Hochschule ist das Berufseintrittsalter inzwischen erheblich angestiegen. Im Vergleich zu anderen Ländern werden Jugendliche in der Bundesrepublik zu alt, bis sie Berufserfahrungen sammeln und berufliche Verantwortung übernehmen können. Das hohe Berufseintrittsalter hat einerseits eine steigende Immobilität des einzelnen durch die bereits vorgenommene private und familiäre Lebenspla­nung zur Folge, andererseits wird die private Lebensgestaltung durch den langen Bildungsprozeß in einem nicht unerheblichen Maße beeinflußt. Diese Tatbestän­de wie auch die Notwendigkeit lebenslanger Weiterbildung, mit der sich das Ver­hältnis von Bildung und Arbeit verschiebt, erfordern eine Verkürzung der Bil­dungszeit, zu der die Schule ihren Beitrag leisten muß.

Als weiterer Einflußfaktor auf das Bildungswesen wirkt gegenwärtig die demo­graphische Entwicklung, d.h. der phasenverschobene Rückgang der Schülerzah­len und die damit verbundene Schließung von Schulen. Vordringliche Aufgabe derzeitiger Schulentwicklungsplanung ist es, eine optimale Bildungsversorgung mit weitmöglichster Beibehaltung der Ortsnähe der Schule, insbesondere bei Vorschule und Grundschule zu gewährleisten. Die demographische Entwicklung