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Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
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Tendenzen der Aus- und Weiterbildung 227

auf Konflikte abstellen, die Arbeit im Betrieb als menschenunwürdig diskrimi­nieren und die Wirtschaftsordnung als überholt abtun. Ein solches Bild von Wirtschaft, das nur mit negativen Merkmalen wie beruflicher Frustration, kapi­talistischer Ausbeutung und Lohnabhängigkeit besetzt ist oder eine Darstellung der Wirtschaft, die vom Grundwiderspruch von Kapital und Arbeit ausgeht und nur auf Konflikte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Herrschenden und Beherrschten, Kapitalisten und Ausgebeuteten abstellt, verfälscht die Wirk­lichkeit. Denn es gibt trotz vorhandener Probleme und Konflikte eine funktio­nierende Wirtschaft, die gekennzeichnet ist durch Interessengemeinsamkeit zwi­schen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, durch ein ständiges und erfolgreiches Bemühen um Interessenausgleich, sozialen Frieden, berufliche Zufriedenheit, Arbeitnehmerschutz und soziale Sicherungsmaßnahmen. Wirtschafts- und Ar­beitslehre hat in diesem Sinne sachfundierte Grundkenntnisse zu vermitteln.

Leitziel der sozial-ökonomisch-technischen Bildung ist, dem Schüler Hilfen zur Bewältigung von Lebenssituationen bei seiner Berufswahl, in Haushalt, Betrieb und Markt in seiner jetzigen oder künftigen Rolle als Auszubildender, Verbrau­cher und Erwerbstätiger ob als Arbeitnehmer oder Selbständiger zu geben.

Arbeits- und Wirtschaftslehre kann in dieser Hinsicht nie wertfrei sein, sondern ist immer wertbezogen, d.h. sie muß auf der im Grundgesetz verankerten Wert­ordnung basieren. Sie muß sich mit der humanen, ökonomischen und sozialen Betroffenheit des Menschen in unterschiedlichen Wirtschaftssystemen bzw. -ordnungen wertend auseinandersetzen, die Bereitschaft zur Annahme eines so­zial und pluralistisch verfaßten Wirtschaftssystems fördern, den pluralen Ansatz durch Verdeutlichung unterschiedlicher Meinungen und Interessenstandpunkte auf dem Boden des Grundgesetzes gewährleisten, zur Leistungsbereitschaft und Verantwortung für sich und gegenüber der Gesellschaft erziehen, zur individuel­len, freien und sozial verpflichteten Entscheidung befähigen.

Zu den unabdingbaren Grundsätzen des Bildungsverständnisses der Wirtschaft gehört die Orientierung an der bestehenden Realität bzw. Praxis. Erst die selbst erlebte und erfahrene Wirklichkeit des betrieblichen Geschehens und gesamt­wirtschaftlicher Ereignisse schaffen in Verbindung mit dem theoretischen Erfas­sen und Durchdringen der Zusammenhänge die Grundlage für sachfundierte und situationsorientierte Urteilsbildung, Entscheidungs- und Handlungsvollzü­ge. Die Wirtschaft setzt sich für die Durchführung von Betriebserkundungen und Betriebspraktika ein, die heute in einem wesentlich größerem Ausmaß als früher auch vom Gymnasium nachgefragt werden.

Notwendig sind nicht nur eine systematische Vorbereitung und Auswertung, sondern auch die inhaltliche und organisatorische Abstimmung mit den Betrie­ben, um Betriebserkundungen und-praktika sinnvoll in den Produktionsablauf einzufügen.