Tendenzen der Aus- und Weiterbildung 227
auf Konflikte abstellen, die Arbeit im Betrieb als menschenunwürdig diskriminieren und die Wirtschaftsordnung als überholt abtun. Ein solches Bild von Wirtschaft, das nur mit negativen Merkmalen wie beruflicher Frustration, kapitalistischer Ausbeutung und Lohnabhängigkeit besetzt ist oder eine Darstellung der Wirtschaft, die vom Grundwiderspruch von Kapital und Arbeit ausgeht und nur auf Konflikte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Herrschenden und Beherrschten, Kapitalisten und Ausgebeuteten abstellt, verfälscht die Wirklichkeit. Denn es gibt trotz vorhandener Probleme und Konflikte eine funktionierende Wirtschaft, die gekennzeichnet ist durch Interessengemeinsamkeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, durch ein ständiges und erfolgreiches Bemühen um Interessenausgleich, sozialen Frieden, berufliche Zufriedenheit, Arbeitnehmerschutz und soziale Sicherungsmaßnahmen. Wirtschafts- und Arbeitslehre hat in diesem Sinne sachfundierte Grundkenntnisse zu vermitteln.
Leitziel der sozial-ökonomisch-technischen Bildung ist, dem Schüler Hilfen zur Bewältigung von Lebenssituationen bei seiner Berufswahl, in Haushalt, Betrieb und Markt in seiner jetzigen oder künftigen Rolle als Auszubildender, Verbraucher und Erwerbstätiger— ob als Arbeitnehmer oder Selbständiger— zu geben.
Arbeits- und Wirtschaftslehre kann in dieser Hinsicht nie wertfrei sein, sondern ist immer wertbezogen, d.h. sie muß auf der im Grundgesetz verankerten Wertordnung basieren. Sie muß sich mit der humanen, ökonomischen und sozialen Betroffenheit des Menschen in unterschiedlichen Wirtschaftssystemen bzw. -ordnungen wertend auseinandersetzen, die Bereitschaft zur Annahme eines sozial und pluralistisch verfaßten Wirtschaftssystems fördern, den pluralen Ansatz durch Verdeutlichung unterschiedlicher Meinungen und Interessenstandpunkte auf dem Boden des Grundgesetzes gewährleisten, zur Leistungsbereitschaft und Verantwortung für sich und gegenüber der Gesellschaft erziehen, zur individuellen, freien und sozial verpflichteten Entscheidung befähigen.
Zu den unabdingbaren Grundsätzen des Bildungsverständnisses der Wirtschaft gehört die Orientierung an der bestehenden Realität bzw. Praxis. Erst die selbst erlebte und erfahrene Wirklichkeit des betrieblichen Geschehens und gesamtwirtschaftlicher Ereignisse schaffen in Verbindung mit dem theoretischen Erfassen und Durchdringen der Zusammenhänge die Grundlage für sachfundierte und situationsorientierte Urteilsbildung, Entscheidungs- und Handlungsvollzüge. Die Wirtschaft setzt sich für die Durchführung von Betriebserkundungen und Betriebspraktika ein, die heute in einem wesentlich größerem Ausmaß als früher auch vom Gymnasium nachgefragt werden.
Notwendig sind nicht nur eine systematische Vorbereitung und Auswertung, sondern auch die inhaltliche und organisatorische Abstimmung mit den Betrieben, um Betriebserkundungen und-praktika sinnvoll in den Produktionsablauf einzufügen.