Führungslehre— Abschied vom Modelldenken 233
gnose gezielt ausgewählt, wohl dosiert abgestimmt, kann es hilfreich sein. Als Allheilmittel angesehen, muß es jedoch mehr schaden als nutzen.
I Bedürfnisse schaffen Nachfrage und Angebot, auch nach Führungsmethoden
1 Ursachen für das gestiegene Bedürfnis
Es entspricht einem marktwirtschaftlichen Prinzip, daß auf die Dauer nur das angeboten wird, was zur Bedürfnisbefriedigung führt. Aus der Fülle des nachgefragten Angebotes an Führungshilfsmitteln auf dem Buch- und Zeitschriftenmarkt, wie auch auf dem Seminar- und Beratungssektor läßt sich unschwer auf das noch vorhandene Bedürfnis schließen. Hierbei ist nicht so sehr die Stärke dieses Bedürfnisses, die überrascht, als vielmehr die Tatsache, in welcher kurzen Zeit es zu dieser explosiven Entwicklung gekommen ist.
Vor nicht mal 30 Jahren war an den deutschen Hochschulen von einer Führungslehre weder etwas zu verspüren noch etwas zu erahnen. Der Altmeister der deutschen Betriebswirtschaftslehre, der Kölner Professor Erich Gutenberg, der mehrere Generationen von Betriebswirtschaftlern nachhaltig beeinflußt hat, hielt „Führung“ noch für eine Kunst, die weder lehr- noch lernbar ist.
Und trotzdem ist Führen ein Phänomen, das untrennbar mit menschlicher Tätigkeit verbunden ist. Seit Menschen arbeitsteilig zusammenwirken und seit sie in ihren Organisationsformen hierarchische Strukturen geschaffen haben, besteht die Notwendigkeit zu Führen, d.h. auf das Verhalten anderer zum Zwecke der Erreichung eines Zieles einzuwirken.
Daß sich aus diesen Ausgangsbedingungen ein so starkes Bedürfnis nach Handlungsanweisungen und Gestaltungshilfen entwickeln konnte, ist erstaunlich und nur aus den veränderten Umweltbedingungen heraus zu erklären.
Ursachen hierfür sind aber nicht nur der Wandel der Umwelt, die immer größer werdende Komplexität der Organisationen und die differenzierteren Zusammenhänge. Was vielmehr den Bedarf an Führungsmodellen so stark steigen läßt, sind die Änderungen in den Handlungsbedingungen. Die hierarchische Stellung reicht heute nicht mehr aus, um Gehorsam zu erzwingen. Diese Entwicklung erhält noch einen verstärkten Impuls durch die Veränderung des sozialen Gefüges und der Werthaltung der Betroffenen. Verstärkte Probleme wirft aber vor allem die Entwicklungsgeschwindigkeit auf. Im Laufe der Geschichte haben sich Menschen an Vielerlei gewöhnt. Die Zunahme des Wissens— ausgedrückt in seiner „Halbwertzeit“— wächst in einem kaum übertreffbaren Ausmaß. Ethische Normen, wie die protestantische Arbeitsmoral, weichen zunehmend anderen Werthaltungen.