234 Führungslehre— Abschied vom Modelldenken
Waren lange Zeit Veränderungsprozesse im Verlauf von mehreren Generationen zu beobachten, so treten sie nun innerhalb weniger Jahre auf.
Führen und Gehorchen sind Phänomene, die man früher durch die Vorbildwirkung gelernt und im Sozialisationsprozeß internalisiert hatte. Dies reicht heute jedoch nicht mehr aus, weil sich die Erfahrung durch den immer rascheren Einstellungswandel zunehmend entwertet. Besonders betroffen ist hiervon die Schicht der mittleren Führungskräfte. Während die Führungsspitze eines Unternehmens noch weitgehend ihren„eigenen Stil“ pflegt und in Grenzen auch durchsetzen kann, sind mittlere Führungskräfte, die zwar Vorgesetzte und zum anderen Teil aber auch Mitarbeiter ihrer Vorgesetzten sind, an einen vorgegebenen Rahmen gebunden. Einerseits müssen diese Führungskräfte den ihnen gestellten Erwartungen gerecht werden und die vorgegebenen Ziele erreichen, auf deren Zustandekommen sie wegen der Abhängigkeit von den ihnen unterstellten Mitarbeitern nur unvollkommenen Einfluß haben, andererseits sind sie für Ziele verantwortlich, für deren Erreichung sie die Zusammenhänge nur sehr unvollkommen überblicken und noch weniger zu beherrschen vermögen.
2 Die Anbieter von Führungsmodellen
Aus der aufgezeigten Entwicklungstendenz bei Führungskräften ergibt sich gerade aus der Ebene der mittleren Führungshierarchie das größte Bedürfnis nach Orientierungshilfen. Das Problem stellt sich vor allem bei der Frage, wie sie ihren Aufgaben in einer immer komplexer und unübersehbarer werdenden Umwelt gerecht werden können.
Als Anbieter von Führungsmodellen kommen nur in wenigen Fällen Führungskräfte infrage, da ihnen die Komplexität ihrer Aufgabe und die Tagesroutine nur wenig Zeit und Gelegenheit dazu läßt, solche Modelle zu entwickeln. In der Regel ist auch ihr grundlegendes Interesse anders gelagert, als beispielsweise Konkurrenten damit vertraut zu machen, wie sie ihre Probleme besser lösen können.
Nur in Ausnahmefällen kommen Wissenschaftler infrage. Sie greifen in der Regel nur dann Probleme auf, wenn von anderer Seite her ein Bedarf an sie herangetragen wird. So wurden letztendlich alle auf dem Markt befindlichen Führungsmodelle von Mitgliedern einer Zunft entwickelt, die sich im Laufe der letzten Jahrzehnte zunehmenden Zuspruchs erfreut, nämlich die Gruppe der Unternehmens- und Personalberater. Sie erkannten rascher als andere die Probleme ihrer Klientel und waren bestrebt, Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen, ggf. unter Rückgriff auf bekannte wissenschaftliche Ansätze in anderen Disziplinen, wie z.B. der Lerntheorie, der Gruppendynamik, der Verhaltenswissenschaften usw.
Da die Entwicklung solcher Modelle nicht dem Selbstzweck dient, sondern dem vermarkteten Interesse unterliegt, wurden aus der Fülle der mit der Führungs