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Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
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234 Führungslehre Abschied vom Modelldenken

Waren lange Zeit Veränderungsprozesse im Verlauf von mehreren Generationen zu beobachten, so treten sie nun innerhalb weniger Jahre auf.

Führen und Gehorchen sind Phänomene, die man früher durch die Vorbildwir­kung gelernt und im Sozialisationsprozeß internalisiert hatte. Dies reicht heute jedoch nicht mehr aus, weil sich die Erfahrung durch den immer rascheren Ein­stellungswandel zunehmend entwertet. Besonders betroffen ist hiervon die Schicht der mittleren Führungskräfte. Während die Führungsspitze eines Unter­nehmens noch weitgehend ihreneigenen Stil pflegt und in Grenzen auch durchsetzen kann, sind mittlere Führungskräfte, die zwar Vorgesetzte und zum anderen Teil aber auch Mitarbeiter ihrer Vorgesetzten sind, an einen vorgegebe­nen Rahmen gebunden. Einerseits müssen diese Führungskräfte den ihnen ge­stellten Erwartungen gerecht werden und die vorgegebenen Ziele erreichen, auf deren Zustandekommen sie wegen der Abhängigkeit von den ihnen unterstellten Mitarbeitern nur unvollkommenen Einfluß haben, andererseits sind sie für Ziele verantwortlich, für deren Erreichung sie die Zusammenhänge nur sehr unvoll­kommen überblicken und noch weniger zu beherrschen vermögen.

2 Die Anbieter von Führungsmodellen

Aus der aufgezeigten Entwicklungstendenz bei Führungskräften ergibt sich gera­de aus der Ebene der mittleren Führungshierarchie das größte Bedürfnis nach Orientierungshilfen. Das Problem stellt sich vor allem bei der Frage, wie sie ih­ren Aufgaben in einer immer komplexer und unübersehbarer werdenden Um­welt gerecht werden können.

Als Anbieter von Führungsmodellen kommen nur in wenigen Fällen Führungs­kräfte infrage, da ihnen die Komplexität ihrer Aufgabe und die Tagesroutine nur wenig Zeit und Gelegenheit dazu läßt, solche Modelle zu entwickeln. In der Re­gel ist auch ihr grundlegendes Interesse anders gelagert, als beispielsweise Kon­kurrenten damit vertraut zu machen, wie sie ihre Probleme besser lösen können.

Nur in Ausnahmefällen kommen Wissenschaftler infrage. Sie greifen in der Re­gel nur dann Probleme auf, wenn von anderer Seite her ein Bedarf an sie heran­getragen wird. So wurden letztendlich alle auf dem Markt befindlichen Füh­rungsmodelle von Mitgliedern einer Zunft entwickelt, die sich im Laufe der letz­ten Jahrzehnte zunehmenden Zuspruchs erfreut, nämlich die Gruppe der Unter­nehmens- und Personalberater. Sie erkannten rascher als andere die Probleme ihrer Klientel und waren bestrebt, Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen, ggf. unter Rückgriff auf bekannte wissenschaftliche Ansätze in anderen Disziplinen, wie z.B. der Lerntheorie, der Gruppendynamik, der Verhaltenswissenschaften usw.

Da die Entwicklung solcher Modelle nicht dem Selbstzweck dient, sondern dem vermarkteten Interesse unterliegt, wurden aus der Fülle der mit der Führungs­