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Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
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Führungslehre Abschied vom Modelldenken 257

3 Die Unausweichlichkeit mit der Komplexität zu leben

Die Komplexität der Handlungsbedingungen, die sich aus der Individualität der handelnden Personen ergibt, ist unabänderbar und die Vielfalt der Führungs­situationen läßt sich nur in sehr extremen Ausnahmesituationen reduzieren.

Wenn man diese Tatsache akzeptiert, dann kommt man zu der Schlußfolgerung, daß es kein universelles Führungsmodell und kein Organisationskonzept geben kann, das sich als daseinzig richtige darstellt.

Führungskräfteschulungen, die einseitig auf ein bestimmtes Modell abstellen, verschließen den Blick für die Vielfalt der Handlungssituationen und Hand­lungsnotwendigkeiten. Um diesem Dilemma zu begegnen, wäre es notwendig, die Kenntnis der Betroffenen, also der Vorgesetzten und der Mitarbeiter, über die Zusammenhänge im Führungsprozeß zu verbessern und ihre Erkenntnis über das gegebene Spektrum von Handlungsmöglichkeiten zu erweitern. Gleichzeitig wäre eine stärkere Sensibilisierung für Situationsgegebenheiten erforderlich.

4 Die individuelle Unternehmenskultur

Von besonderer Bedeutung ist hier vor allem die informal entstandene, nicht be­wußt gestaltete Kultur eines Unternehmens oder einer Ogranisation. Überall dort, wo Menschen zusammenwirken, entstehen besondere Formen ihres Zu­sammenlebens, der Art, wie sie miteinander umgehen und wie sie Probleme 1ö­sen. Nur ein Teil dieser Regeln ist bewußt geschaffen, der weitaus größere Teil ist stets ungewollt und ungeplant im Zeitablauf entstanden. Beide Formen, be­wußt geplante und gestaltete Struktur, sowie ungeplante und unbewußt gewach­sene Kultur, beeinflussen sich gegenseitig und sind untrennbar miteinander ver­bunden. Sie sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. So wie bei einem Eis­berg immer ein Teil unter Wasser ist, so verhält es sich auch bei der Organisation eines Unternehmens im Verhältnis von geplanter, formaler(über der Wasser­oberfläche befindlicher) Struktur und der ungeplanten, informell entstandenen (unter der Wasseroberfläche befindlichen) Kultur.

Beide, Kultur und Struktur, stehen in einem unauflöslichen und sich gegenseitig beeinflussenden und durchdringenden Abhängigkeitsverhältnis.

Alle Versuche, einer Organisation bestimmte Strukturen aufzupropfen, die in einem Widerspruch zu den sie tragenden Normen stehen, müssen zu negativen Folgen führen und sind in der Regel zum Scheitern verurteilt.

Auch eine Kultur läßt sich nicht verordnen und durch Geschäftsleitungsbeschluß einführen. Ihre Entwicklung braucht Zeit zum Entstehen. Sie muß wachsen und reifen. Hier liegt der Schlüssel für die oft gehörte Aussage:Organisationen ler­nen schwer und vergessen nur langsam. Einflüsse auf die Organisationskultur