276 Personalführung im Wandel der Zeit
All dies— so lautet das zusammenfassende Urteil— mache das Harzburger Modell zu einem den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht werdenden Führungssystem. Es sei zu bürokratisch und statisch und könne sich nicht flexibel genug auf die verschiedenen Phasen in der Entwicklung einer Unternehmung und die sehr unterschiedlichen Motivstrukturen der Mitarbeiter innerhalb eines Betriebes einstellen!8.
Sachlich mag aus heutiger Sicht ein großer Teil der Kritik am Harzburger Modell berechtigt sein; nur gilt es zweierlei zu berücksichtigen. Zum einen muß jedes System gerechterweise aus seiner Zeit heraus beurteilt werden. Tut man dies, dann muß man zugestehen, daß die Harzburger Überlegungen in ihrer Zeit die ersten und die einzigen waren, die ein geschlossenes, in sich logisches Gedankengebäude zur Personalführung vorzuweisen hatten, das darüber hinaus noch den Vorzug hatte, mit dem Kerngedanken der verstärkten Delegation von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung voll dem Trend zur Emanzipation der Mitarbeiter zu entsprechen. Insofern muß dem Harzburger Modell sicherlich eine verdienstvolle Vorreiterrolle zuerkannt werden.
Zudem muß auch festgestellt werden— ohne dies ausdiskutieren zu wollen—, daß das Harzburger Modell im Laufe der Jahre nicht stehengeblieben ist, sondern von Höhn und seinen Schülern weiterentwickelt wurde; insofern stößt ein Teil der Kritik zumindest heute ins Leere.
Welche Konsequenzen Zander aus dieser Kritik am Harzburger Modell und damit auch an den Führungsgrundsätzen der Hamburgischen Electricitäts-Werken gezogen hätte, wenn er noch über die Mitte der siebziger Jahre hinaus dem Vorstand dieses Unternehmens angehört hätte, kann nicht mit Sicherheit gesagt und soll hier auch nicht spekulativ beantwortet werden.
Fest steht jedoch, daß im Jahre 1979 die Reemtsma-Gruppe, der Zander seit 1975 als Vorstandsmitglied für das Personal- und Sozialwesen angehörte,„Leitlinien für die Führung und Zusammenarbeit“ veröffentlichte. Wie sahen diese Personalführungsgrundsätze aus und wie unterschieden sie sich von den oben skizzierten Vorstellungen der HEW, formal und inhaltlich?
3 Führungsvorstellungen zu Anfang der 80er Jahre
Die Differenzierung zu den Vorstellungen der 70er Jahre kommt eigentlich schon in der Überschrift zum Ausdruck. Während dort sehr straff, sehr bestimmend, sehr apodiktisch von„Führungsgrundsätzen“ gesprochen wird, die kaum eine Abweichung zulassen, wird hier der Begriff der„Leitlinien“ verwendet. Er wurde bewußt gewählt, um die Variationsbreite und die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation bei der Bestimmung des Führungsverhaltens durch die einzelne Führungskraft zum Ausdruck zu bringen.