286 Unternehmenskultur und Führungsgrundsätze
Die Betrachtung und Einschätzung dieser Unternehmen sowohl von jenen, die in ihnen beschäftigt sind, als auch von ihrer Umwelt, ist das Echo darauf, was die Urteilenden über ein Unternehmen wissen. In der Regel kommt dabei auch zum Ausdruck, welche Funktion der Firma von ihrer Führung zugedacht wird. Könnte man diese Verschiedenartigkeit sichtbar machen, würde sich daraus eine Bilderbuchkette bunter Eindrücke ergeben.
Wir nehmen heute an, daß zu Beginn der Industrialisierung die Mehrzahl der Unternehmensleitungen ihre„Fabrik“ lediglich als Objekt des Geldmachens angesehen hat. Dennoch gab es bereits vor mehr als 100 Jahren Beispiele von Unternehmen, die nach ganz anderen Gesichtspunkten geleitet wurden. Denken wir an Ernst Abbe bei Zeiss, der bereits 1891 eine Unternehmensverfassung aufstellte, die vielen selbst heute unerreichbar scheint, sind darin doch feste Relationen zwischen Arbeitslöhnen und Spitzengehältern angesetzt worden. Oder vergegenwärtigen wir uns die Einstellung von Robert Bosch, der nach Zeiss zu Anfang dieses Jahrhunderts in seiner Firma den 8 Stundentag eingeführt hat, während auch in den Industriestaaten 9—10 Arbeitsstunden noch die Norm war und eine Arbeitsschutz-Gesetzgebung sich erst abzeichnete.
In beiden Unternehmungen hat sich das, was wir heute Unternehmenskultur nennen, ganz erheblich von der Vielzahl anderer Fabriken unterschieden. Sie bewiesen, daß Entwicklungen nie geradlinig, sondern immer überlappend auftreten, und sie bestätigen mit historischem Nachdruck die inzwischen auch von modernen Wissenschaftlern immer wieder vertretene These, daß der Mann an der Spitze für die Kultur seines Hauses von grundsätzlicher Bedeutung ist. Heinz Dürr, Vorstandsmitglied der Daimler-Benz AG und Chef der AEG hat das gesprächsweise einmal in die Worte gefaßt:„Ein Unternehmen ist eine sensible Angelegenheit. Alles richtet sich nach dem ersten Mann aus. Wenn der sagt, Genie ist Fleiß, dann gilt das im ganzen Hause.“
2 Inhalt und Zweck einer Unternehmenskultur
Eine wesentliche Voraussetzung dafür, Prioritäten der Unternehmensführung nicht allein nach finanziellen Gesichtspunkten zu setzen(ohne dabei zu übersehen, daß sie an ihnen gemessen werden müssen, d.h. daß manche scheinbar geldferne Maßnahme im Sinne des Erfolges durchaus kapitalstützend ist) liegt darin, die Unternehmung als„produktives soziales System“ zu erkennen, so wie es Prof. Dr. Hans Ulrich, langjähriger Direktor am Betriebswirtschaftlichen Instituts der Hochschule St. Gallen, interpretiert hat:
„Es geht nicht nur um die materielle Ausstattung des Unternehmens als schlagkräftigen Apparat der Leistungserzeugung, sondern noch mehr um die geistige und einstellungsmäßige Entwicklung der Menschen, die die Unternehmung aus