288 Unternehmenskultur und Führungsgrundsätze
Das Unternehmen war nach Dierkes nicht gewohnt, nach innen zu hören, da es sich immer danach gerichtet hatte, nach außen zu hören, und diese Einstellung prägte auch seine Unternehmenskultur. Das hatte zur Folge, daß selbst im sozialpolitisch so leistungsstarken Duttweiler Konzern Männer und Frauen noch unterschiedlich bezahlt wurden, obwohl die Devise„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ erklärtermaßen zur Politik des Hauses gehörte. Von dieser widersprüchlichen Praxis aber hatte die Unternehmensleitung keine Ahnung.
Meinolf Dierckes zieht daraus die Konsequenz der Möglichkeit unterschiedlich ausgeprägter Kulturen selbst in ein und demselben Unternehmen. In diesem Zusammenhang macht der Berliner Wissenschaftler auch darauf aufmerksam, daß es bei der Unternehmenskultur darum geht, einfach Selbstverständliches sichtbar zu machen. Er verweist darauf, daß es von Firma zu Firma tatsächlich unterschiedliche Kommunikations- und Erscheinungsformen gibt, und daß Sprech-, Denk- oder Entscheidungsstil eben bei Exxon anders sind als bei Shell— obwohl es sich dabei um ein und dieselbe Branche handelt.
3 Darstellungsformen der Unternehmenskultur
Derartige Unterschiede drücken sich übrigens nicht nur in unsichtbaren Stilfragen aus. Sie sind auch ganz deutlich wahrnehmbar in Kleidungs-Trends oder architektonischen wie in Möblierungsfragen zu erkennen.
Vor vielen Jahren kursierte in Büroetagen die Bemerkung:„Wer bei HCT beschäftigt ist, den erkennt man schon von weitem: Blauer Sakko, weißes Hemd, Krawatte.“ Das lag aber nicht allein an der gern karikierten„Betriebsuniform“. Wer durch eine der gläsernen Türen schritt, die das Unternehmen als eines der ersten in seinen Verwaltungsgebäuden anbringen ließ, der wußte sofort, wo er war: Gläserne Empfangsloge, Tischplatten aus Glas, schwarze Ledermöbel, Neonleuchten, Grünpflanzen in weißen Kübeln. Es wurde nur leise gesprochen, manchmal fast geflüstert.„Lächeln liegt in der Luft“, hatten die Sekretärinnen die Atmosphäre eines Tages spöttisch genannt. Trotzdem zeigten sie sich stolz darauf, daß sie gerade von ihrer Firma sehr viel öfter zu Schulungs- und Informationsveranstaltungen geschickt wurden als ihre Kolleginnen in anderen Betrieben. Das leise Sprechen sollte übrigens dazu führen, daß man höflich miteinander umging. Es hatte sich so eingeprägt, daß ein Direktor, der ausnahmsweise einmal von außerhalb eingestellt worden war, nicht zuletzt auch an der lauten Sprechweise scheiterte, die er sich nicht abgewöhnen konnte. Eine Atmosphäre und Reaktionsweise, die zum Beispiel in noch erhalten gebliebenen historischen Bergbauverwaltungen mit ihren riesigen langen und hohen Gängen völlig undenkbar wäre. Dort roch es jahrzehntelang nach Lysol, auch wenn es das längst nicht mehr gab. Die Büros wurden von Rollschränken beherrscht. Der knarrige Ton machte es unmöglich, etwa Mitarbeiter nach ihrer Meinung zu befragen. Es