294 Unternehmenskultur und Führungsgrundsätze
Dabei bleibt es in jedem Falle wichtig, daß Grundsätze dieser Art nicht als Aushängeschild für Unternehmensleitungen publiziert, sondern als Hilfsmittel für die Führung genutzt werden. Sie sollen schließlich auch Firmenangehörigen aller Ebenen die Möglichkeit bieten, eine Art Notbremse zu ziehen, wenn sich Alltagspraktiken einschleichen, die die Zielerreichung erschweren. Als Vorstandsmitglied Rolf Heffner bei der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank Führungsgrundsätze eingeführt hatte, schilderte er seine Erfahrungen u.a. mit dem Hinweis,„daß es sich natürlich auch der Vorstand gefallen lassen muß, an diesen Führungsgrundsätzen selbst gemessen zu werden und daß in zunehmenden Maße insbesondere junge Mitarbeiter sich in Konfliktsituationen auf diese Führungsgrundsätze berufen und dadurch natürlich auch dazu beitragen, daß sie nach und nach im Unternehmen verankert werden.“
In der Praxis hat es sich auch als eine wichtige funktionale Voraussetzung erwiesen, die Erstellung von Grundsätzen zur Mitarbeiterführung nicht nur vom Betriebsrat genehmigen zu lassen, sondern sie gemeinsam mit seinen Vertretungen zu erarbeiten.
Außerdem haben viele Unternehmungen die Erfahrung gemacht, daß die Zeit für die Einführungsseminare zur Handhabung der mit der Mitarbeitervertretung erarbeiteten Führungslinien eine lohnende Investition war. Je sorgfältiger die Einführung, um so nützlicher die Praxis. Das gilt sogar dort, wo die Realisierung der Leitlinien als„komplizierter Prozeß“ bezeichnet worden ist. Nicht selten wurden dafür nämlich externe Berater hinzugezogen und lange Diskussionsrunden eingesetzt, wieweit in einzelnen Formulierungen gegangen werden darf.
Damit werden jene Wissenschaftler bestätigt, die Führungsrichtlinien und ihre Durchsetzung als Beispiel für Organisations-Entwicklungsprozesse bezeichnet haben. Das ist gleichzeitig eine weitere Dokumentation für ihre unmittelbare Zusammengehörigkeit mit der Unternehmenskultur, auf deren Boden sie wachsen müssen.
Diese Bodenbeschaffenheit macht sich gewissermaßen bereits beim aufkeimenden Samen der Richtlinien bzw. der dafür gewählten Bezeichnung bemerkbar. Da hieß es z. B. bei Daimler-Benz, daß der Name Leitsätze und nicht Grundsätze gewählt worden sei, weil Leitsätze mehr den Charakter von Orientierungshilfen vermitteln, während man in Grundsätzen die Vorstellung von Paragraph eins, zwei, drei mit angedrohten Disziplinierungsmaßen fürchtete.
Ein Mann, der sich schon für die Entwicklung von Führungsrichtlinien in deutschen Unternehmen mit besonderem Engagement eingesetzt hat, als nur wenige diese Bezeichnung kannten, ist Ernst Zander, heute von vielen jungen Personalverantwortlichen als eine Art„Papst deutscher Personalarbeit“, so wie es diesem Vergleich entspricht, verehrt, gerühmt und deshalb von einigen Skeptikern zu