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Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
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Neuordnung der Leiharbeit 321

etwa der Präsident des Landesarbeitsamtes NRW den Anteil der Fremdfirmen­Arbeitnehmer an der Gesamtbelegschaft mit 1015% beziffert,!® eine Größen­ordnung, die von der Gewerbeaufsicht als statistischer Erfahrungswert nicht an­gezweifelt wird. Spitzenwerte liegen z. T. noch wesentlich höher. So hat z.B. die Revision eines großen Betriebes der Eisen- und Stahlindustrie Anfang des Jahres 1986 ergeben, daß im Zeitpunkt der Überprüfung durch die Gewerbeaufsicht 25% aller auf dem Werksgelände tätigen Arbeitnehmer bei Fremdfirmen be­schäftigt waren. Berücksichtigt man bei dieser Zahlenangabe, daß im Überprü­fungszeitraum kein Großbauvorhaben abgewickelt wurde und die Stammbeleg­schaft immerhin ca. 7500 Arbeitnehmer zählte, so wird das Ausmaß des heute häufig anzutreffenden Fremdfirmeneinsatzes deutlich.

III Die Gründe für den Fremdfirmeneinsatz

Die betriebswirtschaftlichen Gründe für den Fremdfirmeneinsatz liegen auf der Hand: Zum einen lassen sich die Lohnkosten minimieren, denn häufig führen Fremdfirmen Arbeiten(insbesondere in den Bereichen Instandhaltung und Re­paratur, Montage, Reinigung, Verwaltung),!! die früher oft von der Stammbe­legschaft verrichtet worden sind, zu Preisen durch, die weit unter den üblichen Personalkosten der Auftraggeber liegen. Zum anderen ermöglicht er dem Auf­traggeber, ständig einePersonalpolitik der unteren Linie zu fahren.

So setzte ein großes Unternehmen der chemischen Industrie in NRW im War­tungs- und Instandsetzungsbereich ständig etwa 4000 Fremdfirmenarbeiter ein, deckte den Personalbedarf dadurch nur zu etwa 70% mit eigenem Personal und konnte so konjunkturelle Schwankungen ohne eigene arbeitsrechtliche Maßnah­men problemlos auspendeln. Es gelang sogar, sich während einer schwierigen konjunkturellen Phase binnen weniger Wochen von mehr als 3 300 Beschäftigten zu trennen, unbemerkt von der Öffentlichkeit natürlich ohne Sozialplan. Die Arbeitnehmer, die ihre Arbeit verloren, waren ausschließlich Angehörige von Fremdfirmen, die auf dem Werksgelände tätig waren.

Dies letzte Beispiel zeigt zugleich den ideologischen Wert des Fremdfirmenein­satzes: In eben jenem Unternehmen galt und gilt es bis heute als undenkbar, daß Arbeitnehmer des eigenen Betriebes entlassen werden, es sei denn, einenatür­liche Fluktuation wäre die Ursache für eine Personalanpassung.'!?

Daneben weisen vor allem die Arbeitgeberverbände darauf hin, daß der Fremd­firmeneinsatz notwendig sei, weil die auftraggebenden Unternehmen über kein eigenes Know-how bzw. spezialisiertes Personal verfügten oder weil wegen des diskontinuierlichen Anfalls der Arbeiten die Einstellung von Arbeitnehmern personalwirtschaftlich nicht sinnvoll sei.!? Was das Vorhandensein des Know­