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Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
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378 Fortschrittliche Führungsorganisation

neten Nachfolgern. Im Gegenteil, wir beobachten immer wieder Fälle, in denen Kinder oder Verwandte in die Unternehmensführung gelangen, nur um das Ka­pital in der Familie zusammenzuhalten, auch wenn deren Führungsqualifikation nicht ausreicht. Wer kennt nicht das Beispiel des akademisch ausgebildeten Un­ternehmersohnes, der im Grunde ganz andere Lebensziele verfolgt und deshalb nicht selten als Nachfolger im Unternehmertum scheitert. Dabei gibt es inzwi­schen dafür gute juristische Alternativen.

Nachteile für den Fortbestand mittelständischer Unternehmer ergeben sich auch aus mangelnder Flexibilität ausgeprägter menschlicher Verhaltensweisen. Groß ist die Zahl der Firmengründer, die es mit grandiosem unternehmerischen Elan von bescheidensten Anfängen zu Unternehmensgrößen von mehreren hundert Mitarbeitern gebracht haben. Ihr Erfolg ist oft das Ergebnis eines für diese Auf­bauphase spezifischen persönlichen Führungsstils, der später nicht mehr paßt.® Sie sind nicht in der Lage oder bereit, Führungstechniken und-verhalten bei wachsender Unternehmensgröße zu modifizieren, wodurch oft Führungsschwie­rigkeiten einsetzen.

Solche Fehlerquellen werden meistens nie als solche selbst erkannt. Im Gegen­teil. Wenn das Unternehmen nicht mehr den gewohnten Erfolg am Markt hat, wird der Berater gerufen, um vermeintliche Schwächen in der Produktion, den Konzepten des Vertriebs oder Marketing zu suchen oder es werden Führungs­kräftegefeuert. Vom Berater werden alle aufgabenbezogenen Management­programme analysiert und verbessert, ohne daß ein überzeugender Fortschritt zu erzielen ist. Selten ist der Unternehmer bereit, sich mit dem eigentlichen Problem des Mißmanagements, der Führung, auseinanderzusetzen. Wenn überhaupt, dann nur immer vordergründig in der Annahme, seine Führungskräfte machten etwas falsch und müßten besser führen lernen. Auf die Idee, daß er als Unter­nehmer möglicherweise sein eigenes Führungsverhalten gründlich überprüfen und vielleicht neu orientieren müsse, kommt er meistens nie oder zu spät.

Es hat sich als eine der heikelsten, aber wichtigsten Berateraufgaben herausgebil­det, solche Einsichten dem Auftraggeber auch unaufgefordert nahezubringen. Erfahrungsgemäß hilft es selten, wenn der Berater dies persönlich tut. Meist kann nur eine kritische Beurteilung des Führungsverhaltens des Chefs durch die eigenen Mitarbeiter die Sensibilität und Einsicht für dieses Problem steigern und den ersten Schritt zur Veränderung einleiten.

Kritische Stellungnahmen von eigenen Mitarbeitern erhält der Unternehmer sel­ten im offenen Gespräch. Dazu sind die Ängste vor Nachteilen bei den Mitarbei­tern zu groß. Deshalb macht es auch in der Praxis wenig Sinn, Unternehmer und Führungsmannschaft für eine Diskussion über die Probleme der Führung zu­sammenzuführen. Die Dominanz des Firmenchefs führt meist dazu, daß sich niemand heraustraut, d.h. man gelangt nicht an die entscheidenden Informatio­