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Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
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Entwicklungstendenzen der Personalwirtschaftslehre 391

Interessendurchsetzungskonzept der arbeitsorientierten Einzelwirtschaftslehre eine Handlungsorientierung fordert, dieauf die Durchsetzung von Interessen der abhängig Beschäftigten in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft ab­zielt9, womit deren Interessen zum vorrangigen oder ausschließlichen Effizienz­maßstab personalwirtschaftlichen Handelns werden, verfolgen die Harmonie­konzepte einen Interessenausgleich z.B. durch Herstellung eines Anreiz-Bei­trags-Gleichgewichts. Dieses Anreiz-Beitrags-Gleichgewicht ist gegeben, wenn der Nutzen, den die Organisationsmitglieder den ihnen gewährten Anreizen zu­messen, mindestens so hoch ist, wie deren negativer Nutzen durch die von ihnen erwarteten Beiträge.

Es soll hier nicht vertieft auf die zum großen Teil berechtigte Kritik an diesem Ansatz eingegangen werden. Sie konkretisiert sich insbesondere in den Vorwür­fen

der Sozialtechnologie durch Instrumentalisierung verhaltenswissenschaftli­cher Erkenntnisse!® und der Konfliktverschleierung!!.

Als Versuch, dieser Kritik Rechnung zu tragen, verbunden mit der Auffassung, daß weder eine dezidiert kapitalorientierte noch eine ihr als Gegenkonzept ge­genübergestellte arbeitsorientierte Personalwirtschaftslehre ohne eine verbin­dende Klammer ein fruchtbarer Weg für wissenschaftlichen Fortschritt sein wer­den, wurde daher vom Verfasser das Konzept eines konfliktorientierten Interes­senausgleichs vorgeschlagen. Dieses baut auf der grundsätzlichen Gleichwertig­keit der beiden personalwirtschaftlichen Zielkomponenten, der ökonomischen und sozialen Effizienz, auf, deren gleichzeitige Verfolgung die situationsabhän­gige Dominanz der einen über die andere nicht ausschließt. Die aus der Zielkon­kurrenz resultierenden Konflikte haben eine wichtige Funktion bezüglich der Gesamtentwicklung der Organisation. Grundlegend ist dabei die Annahme einer Basiskomplementarität der Interessen der Organisationsmitglieder trotz unver­meidbarer und zum Teil sicher sehr heftiger Konflikte.

Die gedankliche Konsequenz ist nicht ein Harmoniemodell, in dem personalwirt­schaftliche Konflikthandhabung in jedem Falle zu Erfolgen durch Schlichtung bzw. Vermittlung führt, sondern das Bewußtsein eines existenten Spannungsfel­des unterschiedlicher Interessen. Personalpolitisches Zentralproblem ist damit die Konzeption eines Interessenausgleichs zwischen ökonomischer und sozialer Effizienz, wobei der Personalwirtschaftslehre die Aufgabe zufällt, dieses Span­nungsfeld und die in ihm ablaufenden Prozesse systematisch zu erschließen und den Entscheidungsträgern zu verdeutlichen sowie Vorschläge zu erarbeiten, wel­che die Chance haben, von den Betroffenen als auf Interessenausgleich abzielen­de Problemlösung akzeptiert zu werden.