Entwicklungstendenzen der Personalwirtschaftslehre 391
Interessendurchsetzungskonzept der arbeitsorientierten Einzelwirtschaftslehre eine Handlungsorientierung fordert, die„auf die Durchsetzung von Interessen der abhängig Beschäftigten in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft abzielt“9, womit deren Interessen zum vorrangigen oder ausschließlichen Effizienzmaßstab personalwirtschaftlichen Handelns werden, verfolgen die Harmoniekonzepte einen Interessenausgleich z.B. durch Herstellung eines Anreiz-Beitrags-Gleichgewichts. Dieses Anreiz-Beitrags-Gleichgewicht ist gegeben, wenn der Nutzen, den die Organisationsmitglieder den ihnen gewährten Anreizen zumessen, mindestens so hoch ist, wie deren negativer Nutzen durch die von ihnen erwarteten Beiträge.
Es soll hier nicht vertieft auf die zum großen Teil berechtigte Kritik an diesem Ansatz eingegangen werden. Sie konkretisiert sich insbesondere in den Vorwürfen
— der Sozialtechnologie durch Instrumentalisierung verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse!® und — der Konfliktverschleierung!!.
Als Versuch, dieser Kritik Rechnung zu tragen, verbunden mit der Auffassung, daß weder eine dezidiert kapitalorientierte noch eine ihr als Gegenkonzept gegenübergestellte arbeitsorientierte Personalwirtschaftslehre ohne eine verbindende Klammer ein fruchtbarer Weg für wissenschaftlichen Fortschritt sein werden, wurde daher vom Verfasser das Konzept eines konfliktorientierten Interessenausgleichs vorgeschlagen. Dieses baut auf der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der beiden personalwirtschaftlichen Zielkomponenten, der ökonomischen und sozialen Effizienz, auf, deren gleichzeitige Verfolgung die situationsabhängige Dominanz der einen über die andere nicht ausschließt. Die aus der Zielkonkurrenz resultierenden Konflikte haben eine wichtige Funktion bezüglich der Gesamtentwicklung der Organisation. Grundlegend ist dabei die Annahme einer Basiskomplementarität der Interessen der Organisationsmitglieder trotz unvermeidbarer und zum Teil sicher sehr heftiger Konflikte.
Die gedankliche Konsequenz ist nicht ein Harmoniemodell, in dem personalwirtschaftliche Konflikthandhabung in jedem Falle zu Erfolgen durch Schlichtung bzw. Vermittlung führt, sondern das Bewußtsein eines existenten Spannungsfeldes unterschiedlicher Interessen. Personalpolitisches Zentralproblem ist damit die Konzeption eines Interessenausgleichs zwischen ökonomischer und sozialer Effizienz, wobei der Personalwirtschaftslehre die Aufgabe zufällt, dieses Spannungsfeld und die in ihm ablaufenden Prozesse systematisch zu erschließen und den Entscheidungsträgern zu verdeutlichen sowie Vorschläge zu erarbeiten, welche die Chance haben, von den Betroffenen als auf Interessenausgleich abzielende Problemlösung akzeptiert zu werden.