Entwicklungstendenzen der Personalwirtschaftslehre 395
Der Personalwirtschaftslehre kommt für diesen Prozeß des„sich als gesellschaftliche Institution Begreifenlernens“ fraglos eine zentrale Rolle zu, handelt es sich doch um die Implementierung einer Managementphilosophie über alle hierarchischen Ebenen. Die Personalwirtschaft ist dabei aber nicht nur Vermittlungs-, sondern auch Entwicklungsinstanz. Sie ist die Außenhaut des Unternehmens zur Gesellschaft, sein Frühwarnsystem in bezug auf unternehmensrelevante Entwicklungen im gesellschaftlichen Umfeld. Zwar liegt die Verantwortung für die Managementphilosophie letztlich bei der Unternehmensleitung, aber die Anstöße zu liefern zu ihrer Änderung, Präzisierung und Verfestigung ist eine wesentliche Aufgabe der Personalwirtschaft. Konflikte zwischen der Binnenkultur der Organisation und dem gesellschaftlichen Normen- und Wertesystem äußern sich immer zuerst als Personalprobleme, z.B. wenn ein Wandel der Werte in der Gesellschaft den subjektiven Nutzen von Anreizen reduziert oder Beitragsleistungen nach Art(z.B. Nachtarbeit) oder Höhe plötzlich inakzeptabel erscheinen läßt. Leistungsbereitschaft ist auch eine Funktion des gesellschaftlichen Wertesystems— und wenn sie ein ökonomisch relevanter Faktor ist, was wohl außer Zweifel steht, dann läßt sich ökonomische Effizienz nicht mehr allein mit periodisierten Leistungs-Kosten-Vergleichen beschreiben. Gerät aber der Begriff des Ökonomischen ins Wanken, so ist damit die stabilste Stütze überkommener Führungskonzepte in Frage gestellt; das zu verfolgende Ziel wird zum Problem. Gleichzeitig aber deutet sich eine Brücke zwischen ökonomischer und sozialer Effizienz an. Es wird Aufgabe der Personalwirtschaftslehre sein, diese Brücke zu festigen und auszubauen. Vom Erfolg dieses Bemühens hängt die gesellschaftliche Effektivität eines Unternehmens i.S. der Integration gesellschaftlicher Normen und Wertvorstellungen ab. Zur gesellschaftlichen Effektivität gehört dabei die ökonomische Effizienz in gleicher Weise wie die soziale.
2 Integration und Differenzierung im Bereich der theoretischen Konzeption der Personalwirtschaft
Um die Entwicklungstendenzen auf der Theorieebene zu erfassen, muß man wohl unterscheiden zwischen„Theorien für die Personalwirtschaft“ und„Theorien der Personalwirtschaft“. Die erste Kategorie beinhaltet jene Ansätze, die z.B. in der Inventur von Ende als„Theorien der Personalarbeit“ gekennzeichnet wurden. Gemeint sind die konzeptionellen Ansätze bzw. Bezugsrahmenkonzepte. Die zweite Kategorie betrifft die eigentliche theoretische Basis der Personalwirtschaftslehre i.S. des Fundaments für die Ableitung von Gestaltungsaussagen.
Der gegenwärtig vorherrschende Ansatzpluralismus wurde oben als notwendig für die weitere Entwicklung des Faches bezeichnet, und es sind gegenwärtig keine Begrenzungen für diesen Differenzierungsprozeß absehbar bzw. notwendig.