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Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
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398 Entwicklungstendenzen der Personalwirtschaftslehre

tierung, die sicherlich eines der Hauptprobleme darstellt, so lägen die ökonomi­schen und sozialen Vorteile auf der Hand: Es würden weniger Personalressour­cen verschwendet und das Risiko von Fehlpassungen zwischen Mitarbeiter und Tätigkeit würde vermindert. Spezifische neue Gestaltungserfordernisse dürften insbesondere bei der Arbeitsstrukturierung und der Personalentwicklung auftre­ten.

Allerdings beinhaltet ein solches Differenzierungskonzept auch einige erhebliche Nachteile. Der kritischste ist, daß es tendenziell eine Gefährdung des Systemzu­sammenhalts zur Folge haben könnte. Eine aufPassung(Fit) von Person und Tätigkeit ausgerichtete Differenzierung, die in ihrer extremsten Ausprägung eine Indivualisierung der Organisation bedeuten würde, verspricht aus der Sicht der Organisation zwar eine bessere Ressourcennutzung, gleichzeitig aber könnte sie zu einer Verminderung der Loyalität, des Commitment der Organisations­mitglieder, führen. Die Personalwirtschaftslehre wird sich daher nicht nur um differenzierende Gestaltung bemühen müssen, sondern zugleich und verstärkt um integrierende.

Ausgangspunkt eines solchen um Integration bemühten Ansatzes wäre der Sach­verhalt, daß die Organisation als soziales System über ein hohes Einflußpo­tential auf die Persönlichkeitsentwicklung der Mitarbeiter verfügt, d.h. eine mächtige Sozialisationsinstanz verkörpert. Grundlegendes theoretisches wie auch Gestaltungskonzept wäre dann das der organisationalen Sozialisation, d.h. der Prozeß, in dem ein Individuum in ein soziales System dadurch integriert wird, daß seine Bedürfnisse, Werthaltungen, Fähigkeiten, Wissensbestände etc. mit dem, was als systemerhaltend gilt, in Übereinstimmung gebracht werden. Ausführliche Analysen und Diskussionen zum Inhalt desSystemerhaltenden finden sich in letzter Zeit unter dem Rahmenkonzept derOrganisationskul­tur2!,

Die Gestaltung dieses organisationalen Sozialisationsprozesses könnte sich zu einer wesentlichen künftigen Aufgabe der Personalwirtschaft entwickeln. Daß diese Aufgabe nicht unproblematisch ist, liegt auf der Hand. Zum einen setzt die Einpassung eines Individuums in ein soziales System seineAkkulturation, wie es der Organisationspsychologe Schein nennt, und ein konsensfähiges orga­nisationales Wertesystem voraus, zum anderen darf der Prozeß der Einpassung nicht zu einer Erstarrung des Systems führen, die existenzerhaltende Innovatio­nen i.S. der Anpassung der Organisation an Umweltveränderungen sehr erschwert. Die Bedingungen für beides Akkulturation und Innovation auf­zuzeigen und Gestaltungskonzepte zu entwickeln ist angesichts einer dynami­schen und daher erhöhte Integrationsbemühungen erfordernden und zu­gleich innovationsbedürftigen und daher Freiheitsgrade durch Differenzie­rung für den einzelnen Mitarbeiter erfordernden Umwelt die wohl anspruchs­