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Russlands Landwirtschaft und ländliche Siedlungen in der Transformation / Hans Viehrig
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schiede(Nordkaukasus, Burjatien etc.) ausgeklammert. Zum Beispiel befanden sich nach WEGREN(2000, S. 264) in untersuchten Großbetrieben Zentralrusslands 30 bis 50% der Betriebsangehörigen im Rentenalter.

Zugleich wächst der Anteil wenig oder nicht qualifizierter Arbeiter in der Landwirtschaft. Absolventen höherer Ausbildungseinrichtungen haben zunehmend die Dörfer verlassen (BONDARENKO 2000, SS. 68) oder sind zu Betrieben übergewechselt, die in der Lage waren, regelmäßig Löhne zu zahlen(FÜLLSACK 2000, S. 96). Der Facharbeitermangel scheint sich in den nächsten Jahren noch zu verstärken. Russland besitzt zwar nach wie vor auch in den nächsten Jahren einen regional differenzierten Zuwachs an arbeitsfähiger junger Bevölkerung in den Dörfern. Jedoch äußern große Teile der Dorfjugend Vorbehalte gegenüber einer künftigen Tätigkeit in der Landwirtschaft und ziehen Abwanderung oder Pendlertätigkeit vor(ebenda).

Die ökonomische und soziale Krise des russischen Dorfes zeigt sich auch in Arbeitsmotivation, Arbeits- und Sozialverhalten der Beschäftigen. Alkoholmissbrauch und Kriminalität sind angewachsen und geben zu Sorge Anlass. In den Jahren 1991/98 sind jährlich etwa 60 000 Landarbeiter infolge von Unfällen oder gesundheitlicher Schäden aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden(BONDARENKO 2000, S. 68). Die Individualisierungs­fälle betrafen dabei erstrangig produktionserfahrene Altersgruppen zwischen 30 und 49 Lebensjahren(ebenda). Ein Wandel kann nur langfristig in Zusammenhang mit dem Erfolg der Transformation auf dem Lande erwartet werden.

3.3.3 Agrartechnologien und Bodenpflege nach 1990

Im Rahmen der Anpassung an marktwirtschaftliche Bedingungen sind u. a. als Folge des enormen Preisdrucks auf dem Energie- und Agrartechnikmarkt in den Landwirtschafts­betrieben umfassende Rückgänge des Verbrauchs an Energie und des Einsatzes von Agrartechnik erfolgt. Bis 1998 waren die Preise für Betriebsmittel fünfmal schneller als die Preise für Agrarprodukte gestiegen(SCHULZE 2002, S. 312). Dabei waren die agrartechni­schen Ausgangsbedingungen schon vor 1990 im Vergleich zu den Ländern Westeuropas und den USA weit zurückgeblieben. So betrug der Traktorenbesatz auf 1000 ha Ackerland(AF) in den USA 35, in Deutschland(BRD) 188 und in Frankreich 84 Maschi­nen. Ähnliche Verhältnisse lagen bei Mähdreschern vor. Je 1000 ha Getreideanbaufläche (ohne Mais) waren 1990 in Russland 7, in den USA 17 und in Deutschland(BRD) 33 Druschmaschinen im Einsatz(TANNEBERGER 1997, S. 18). Mängel bei Ersatzteilen und im Management waren beständige Begleiter des Mechanisierungsprozesses in der sowjetischen Landwirtschaft gewesen. Zugleich muss gesehen werden, dass Russland bei seinem Flächenpotential und oft widrigen natürlichen Produktionsbedingungen prinzipiell einen hohen Energie- und Materialeinsatz im Jahresgang leisten muss, um ein angemessenes Produktionsniveau halten zu können. Desto schwerwiegender ist der seit 1990 laufend angewachsene Verschleiß und Ausfallgrad bei Gebäuden, Anlagen und Agrartechnik zu bewerten.

Die geringere Verfügbarkeit über Kraftstoffe trug dazu bei, dass entfernter gelegene Feld­flächen nicht mehr bestellt worden sind. Sowohl der Einsatz von Mineraldüngern wie auch organischen Düngemitteln sank nach 1990 rasch, so dass bei Mineraldünger der Anteil gedüngter Saatflächen nur zwischen 23 und 27%(2001) lag(VOPROSY STATISTIKI 11/2001, S. 30) und erst 2002 auf 30% der Saatflächen anstieg(ROSSIJSK. STATIST. EZEGODNIK 2003, S. 409). Organische Düngemittel erhielten im Jahre 2002 sogar nur noch 2% der Saatflächen(ebenda). Insgesamt unterblieb über längere Zeit eine ange­messene Kalkung podsolierter Böden sowie Komplex- und Naturdüngung nicht nur der weniger ertragreichen Böden der Nichtschwarzerdezone(Zentralregion). In der Zukunft werden viele Jahre intensiver Bodenpflege notwendig sein, um die Bodenfruchtbarkeit auf entsprechendem Niveau wiederherzustellen.

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