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Russlands Landwirtschaft und ländliche Siedlungen in der Transformation / Hans Viehrig
Entstehung
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3.5.2 Eigenvermarktung

Der Mangel an institutionellen Rahmenbedingungen für die Vermarktung(Infrastruktur, Marktinformation, Kreditzugang etc.) hat viele Betriebe dazu geführt, die Eigenvermark­tung ihrer Produkte in einfachen Formen auf örtlichen Märkten, in Kiosken und Zelten an Landstraßen durchzuführen und die Herstellung von Backwaren, Fleisch- und Milchpro­dukten in eigener Regie vorzunehmen(KOZLOV 2004, S. 70). Die Beobachtungen TANNE­BERGERS in Westsibirien haben gezeigt, dass entsprechend der jeweiligen Investitions­kraft Betriebe auch dazu übergegangen sind, improvisierte Schlachthäuser, Schrot- und Ölmühlen sowie Lagerkapazitäten aufzubauen(TANNEBERGER 1997, S. 44).

In Russland belasten ohnehin hohe Transport- und Lagerverluste die volkswirtschaftliche Effizienz der Land- und Nahrungsgüterwirtschaft. Dabei machen sich in der Regel die großen Transportdistanzen, ein völlig unzureichender Fahrzeugpark und die ungenü­genden Lagerkapazitäten negativ bemerkbar.

3.5.3 Vertikale Integration der Landwirtschaft und Vermarktungsprozesse

Neue vertikale Integrationsformen in Landwirtschaft und Verarbeitung/Handel kanalisieren neuerdings stärker die Vermarktung von Agrarprodukten in einer Reihe von Regionen. Größere Verbreitung haben mittlerweile Agro-industrielle Vereinigungen. Kooperations­verbände und Agrarholdings gewonnen. Darüber gibt es Informationen aus verschiedenen Regionen des Landes(vgl. KOZLOV 2004, S. 67-68). Eine Untersuchung von Rylko(zit. b. MÜLLER/ WEHRHEIM 2004, S. 171) bezieht sich auf 16 südrussische Agrarholdings, die eine durchschnittliche Flächengröße von 36 000 ha aufwiesen. Im Jahre 2002 waren in der Oblast Belgorod(Zentrale Schwarzerde-Region) bereits 280 von 355 Großbetrieben Mitglieder einer Agrarholding geworden(SCHULZE 2002, S. 315). Darüber hinaus beklagen sich viele Großbetriebe und Fermer über unseriöse Geschäftspraktiken der zahlreichen privaten Aufkäufer und Zwischenhändler und äußern zunehmendes Interesse an einer Einbindung in Integrationsformen(KOZLOV 2004, S. 70).

3.6 Aspekte künftiger Entwicklung der Landwirtschaft Russlands in der Transformation

3.6.1 Die schwache ökonomische Ausgangslage der Agrarbetriebe 2000/2003

Der Blick auf die verhältnismäßig günstigere konjunkturelle Entwicklung von Wirtschaft und Landwirtschaft in Russland seit 1999 darf nicht verdecken, dass sich die russische Landwirtschaft nach wie vor in einer sehr schwierigen Lage befindet. Darauf nimmt eine groß angelegte Befragung aus den Jahren 2000/2003 in 34 Regionen des Landes, die die finanzielle und ökonomische Lage der Agrarbetriebe zum Ziel hatte, Bezug(KOZLOV 2004). Wesentliche Ergebnisse dokumentiert die folgende Abbildung(Abb. 3.6.1-1).

Im graphischen Bild des Jahres 2000 spiegeln sich noch die leichten Aufschwung­tendenzen der Agrarwirtschaft nach der Krise von 1998/99 bei mehr als einem Drittel der Aussagen der Probanden wider. In den Jahren 2002/2003 verringerte sich dieser Anteil wieder. Dagegen hielten 2002 zwei Drittel und 2003 noch weit mehr als die Hälfte(57%) der Befragten die betriebswirtschaftliche Lage in ihrem Bereich für nicht zufrieden stellend bzw. bankrottnah. Besonders der letztere Anteil der bankrottnahen Landwirtschaft war relativ stabil mit einem Viertel der Aussagen über die Jahre hinweg ausgewiesen. Dabei kam auch eine betriebliche und räumliche Differenzierung des Entwicklungsstandes der Landwirtschaft zum Ausdruck. Unter den Befragten, die auf eine sehr schwierige Lage der

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