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Moses Mendelssohn und die Aufgabe der Philosophie / von Heinrich Kornfeld
Entstehung
Seite
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Handlangerarbeit herab. Es wäre aber ein schwerer Irrtum, wenn man Moses Mendelssohn diesen Aufklärern einfach gleichstellen wollte, ihn, der nur die schönsten und besten Züge der Zeitbildung in seltener Reinheit an sich trug, und die herbe Verurteilung, welche er von Gervinus 1 ) erfahren hat und die in den meisten Geschichtswerken der Philosophie wiederkehrt, beruht teils auf einer Verkennung seines ganzen Gedankenganges, teils auf einer unvollständigen Vorstellung vom Wesen der Philosophie.

Moses Mendelssohn war vor allen Dingen Mensch, ein Mensch, der sich seiner Individualität bewußt ist und als solcher ganz in dem Zuge der Zeit steht. Ein jedes Wort, das er sagt, entquillt seinem innersten Wesen und legt Zeugnis ab für den hohen und edlen Geist, der in ihm wohnt, ein jedes seiner Worte kann uns zeigen,

»Wie frei von Vorurteilen Sein Geist, sein Herz wie offen jeder Tugend,

Wie eingestimmt mit jeder Schönheit sei.« (Nathan.)

Mit dem liebevollsten Eifer sucht er dem philosophischen Gedanken, der in seinem Herzen einen Nachhall fand, einen treffenden und klaren Ausdruck zu verleihen; was er nicht begreifen kann, giebt ihm auch keinen Anlaß zu langwierigen Erörterungen, wie gewissen anderen Philosophen, sondern wird bei Seite gelassen, 2 ) das Verständliche aber mit großer Deutlichkeit und in bewundernswerter Formenvollendung dargestellt. Wenn er daher, wie Hillebrand 3 ) berichtet, über das Dasein Gottes ebenso festlich und einleuchtend reden konnte, wie über ein neues Muster seiner Seidenfabrik, so

1 ) Geschichte der poetischen National-Litteratur der Deutschen. Leipzig 1846. IV, 238.

2 ) »Was ich als wahr nicht denken kann, macht mich, als Zweifel, nicht unruhig. Eine Frage, die ich nicht begreife, kann ich auch nicht beantworten.« (Jacobis Werke. Leipzig 1819. IV. 1. S. 110.)

3 ) Deutsche Nationallitteratur seit Lessing, S. 193.