selbst sagt gelegentlich: »Ich habe weder den Willen noch die Fähigkeit, ein ganzes Lehrgebäude aufzuführen, und bin zufrieden, wenn ich nur die ersten Grundlinien eines Lehrgebäudes mit einiger Richtigkeit gezeichnet habe (IV, I. S. 570), aber auch ohne diese Versicherung würde der durchweg aphoristische Charakter seiner Schriften jedem Leser in die Augen springen. Daher kommt es auch, daß sich nicht selten Widersprüche in seinen Werken finden, 1 ) und man genötigt ist, einen Ausspruch gegen den anderen abzuwägen, wobei dann die Verwandtschaft mit den leitenden Grundgedanken den Ausschlag geben wird.
Schließlich dürfte es sich noch für die Methodik der Untersuchung als notwendig erweisen, die Fäden aufzusuchen, mit denen die Mendelssohnsche Philosophie an ihre Vorgängerinnen geknüpft ist, die Einflüsse zu berühren, welche der Zeitgeist auf sie ausgeübt hat und die Verbindung zu beachten, in der die Persönlichkeit des Philosophen und seine Lehre stehen. Denn sollte es sich heraussteilen, daß diese eben angeführten Beziehungen genügen, um die zu erörternde eigentümliche Auffassung von der Bedeutung der Philosophie zu erzeugen, so wäre es vergebliche Mühe, nach einer inneren, rein-menschlichen Notwendigkeit für diese Forderung zu forschen und wir würden jenen Narren gleichen, von denen Fontenelle erzählt, daß sie eine Begründung für Etwas suchten, das gar nicht vorhanden war.
Moses Mendelssohn kennt eigentlich bloß zwei Philosophen: Leibnitz und Wolff, denn Platon und Spinoza, deren er öfters gedenkt, sind ihm selbst in den Grundzügen ihrer Lehren nicht ausreichend bekannt geworden. Wenn er in den »Philosophischen Gesprächen« behauptet, daß Spinoza der
1) Ges. Schr. II, 316 u. 318; vgl. Ulrici, Geschichte und Kritik der Prinzipien der neueren Philosophie. Leipzig 1845. S. 276.