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Moses Mendelssohn und die Aufgabe der Philosophie / von Heinrich Kornfeld
Entstehung
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und daß es eine Vergeltung im Jenseits gebe. Aber noch enger ist die Verwandtschaft, welche Mendelssohn an Wolff knüpft, dessen unvollkommene Zusammenfassung Leib­nitzscher Gedanken er zu ergänzen und weiterzubilden be­müht ist; daß er ihm nicht in knechtischer Weise anhängt, ergiebt sich u. A. aus der Stelle, wo er das »barbarische Gewäsche dieses alten Mannes« tadelt (Ges. Schr. V, S. 316), nicht aber aus jener (VI, 1. S. 504), die Kayserling in unvoll­ständiger Wiedergabe zum Beweise dieses Satzes heranzieht. 1 )

Zweierlei will Wolff beim Philosophieren erreichen: klare deutliche Erkenntnis und deren praktische Verwendbar­keit zum Wohle der Menschheit. Mit der letzteren Aufgabe beschäftigt er sich jedoch nur sehr oberflächlich, und seine Ethik, welche in Gemeinschaft mit Politik und Oekonomie den Bereich der »praktischen Philosophie« bildet, gründet sich nicht auf der Lust, sondern auf der Vernunft, sieht also nicht in der Glückseligkeit, sondern in der Naturgemäßheit das Moralprinzip. In wie entschiedener Weisen Mendelssoh hier von seinem Vorbilde abgewichen ist, werden wir später sehen; es sei aber gleich an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß er auch in der Aesthetik nicht bedingungslos dem Wolffianer Baumgarten 2 ) folgt, sondern von der Popular- ästhetik zur spekulativen Aesthetik hinüberleitet, was Lotze gegen Zimmermann und Danzel mit Unrecht bestreitet. Denn Lotze übersieht ebenso wie Th. Visc her, daß beide Anschauungen in der That einen Schnittpunkt haben; oder entfernt sich wirklich die Hegelsche Definition des Schönen

1) Ueberhaupt ist Kayserling nicht immer ganz genau in seinen An­gaben. So fügt er in einer, S. 409 seines Werkes hervorgehobenen Stelle, die im fünften Bande von Mendelssohns Ges. Schr. S. 701 steht, ganz willkürlich einen Bestimmungssatz bei, der freilich den Sinn nicht, wohl aber die Form verändert.

2 ) Ges. Schr. IV, 1. S. 314, 316, 317.