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Moses Mendelssohn und die Aufgabe der Philosophie / von Heinrich Kornfeld
Entstehung
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auch der Philosophie ihren Stempel auf und läßt sie als ein Einzelmittel zu einem allgemeinen Zwecke erscheinen.

Ganz anders bei Moses Mendelssohn. Obwohl auch er als Kind seiner Zeit sich unter die Fahne der Humanität stellt, überträgt er doch nicht äußerlich die Kulturidee auf ein wissenschaftliches Sondergebiet, sondern gelangt von innen heraus zu einer entsprechenden Auffassung vom Wesen der Philosophie. Zwar hat er die Absicht, den organischen Zu­sammenhang zwischen den schönen Wissenschaften, dem Naturrecht und der Moral aufzudecken, wie aus einem Briefe Nicolais an Herder hervorgeht, 1 ) ist aber weit davon entfernt, in der Weltweisheit ein geringfügiges Glied der menschlichen Ideenkette zu sehen, das nur vom Ganzen aus seine Beleuchtung erhalte und nur in Bezug auf dieses von Bedeutung sei. Vielmehr schreibt er, um nur einen Beleg anzuführen, 2 ) im zwanzigsten Litteraturbriefe: »Man trägt sich heutigen tages mit der Grille, alle Wissen­schaften leicht und ad captum, wie man es zu nennen beliebt, vorzutragen. Mich dünkt aber, es sei nichts so schädlich als eben dieser königliche Weg zu den Wissenschaften, den man hat finden

wollen.t, - Die Wahrheit selbst ward durch die Ar

wie man sie annahm, zum Vorurteile«. Mendelssohn ist also nicht geneigt, die Erledigung schwieriger Fragen durch die Berufung auf den gesunden Menschenverstand zu befür­worten, sondern hält eine eingehende und langsam vorwärts­schreitende Untersuchung für notwendig. Er hofft freilich,

1 ) Ungedruckte Briefe von und an Herder. Leipzig 1861. I, 332.

2 ) Ueber diesen ganzen Gegenstand vergleiche man Mendelssohns Ges. Schr. IX, 196 u. IV, 1. S. 101, sowie Danzel, Lessings Leben I, 348 u. Ges. Aufs. 88ff. Auch ein Brief Mendelssohns an Zimmermann ist hierfür nicht unwichtig; siehe Kayserling. Moses Mendelssohn. Un­gedrucktes u. Unbekanntes von ihm u. über ihn. Leipzig 1883, S. 17.