tungen von Mendelssohn erheblich abweichen und des Denkers eigener Charakter wohl mit seiner Lehre übereinstimmt, sie aber nicht zu dem Glaubensbekenntnisse eines übervollen Herzens herabsinken läßt. Wir haben schließlich noch die Annahme einer platten Bon-Sens-Philosophiererei zu widerlegen gesucht und sind mit diesen Erörterungen wohl allen den Vorwürfen begegnet, welche man gegen die Mendels- sohnsche Denkrichtung zu erheben geneigt ist, und deren Zugeständnis genügen würde, um die besondere Auffassung vom Wesen der Weltweisheit als eine durch persönliche Verhältnisse bedingte und durch oberflächliche Spekulationen gestützte erscheinen zu lassen. Wir wenden uns jetzt einer quellenmäßigen Darstellung der eben erwähnten Anschauung zu, um alsdann zu dem zweiten, selbständig untersuchenden Teile unserer Arbeit überzugehen.
Zum Beginne möge ein bekannter und oft citierter Ausspruch unseres Philosophen stehen. In der dem »Phaedon« vorangehenden Lebensbeschreibung des Sokrates heißt es (Ges. Schriften II, 72): »Dieses ist der Weg, den die Weltweisheit allezeit nehmen sollte. Sie muß mit Untersuchung der äußerlichen Gegenstände anfangen, aber bei jedem Schritte, den sie thut, einen Blick auf den Menschen zurückwerfen, auf dessen wahre Glückseligkeit alle ihre Bemühungen abzielen sollten. Wenn die Bewegung der Planeten, die Beschaffenheit der himmlischen Körper, die Natur der Elemente u. s. w. nicht wenigstens mittelbar einen Einfluß in unsere Glückseligkeit haben: so ist der Mensch gar nicht bestimmt, sie zu untersuchen«. Der letzte, vielfach angegriffene Satz, welcher in schroffster Weise das Nützlichkeitsprinzip zum Ausdruck bringt, enthält gleichwohl eine Wahrheit; in der That ereignet sich nichts im Weltall, was nicht auf jedes andere Geschehen von Einfluß wäre, und der Federzug, mit dem wir diese Worte schreiben, könnte nicht zu Stande kommen,