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Moses Mendelssohn und die Aufgabe der Philosophie / von Heinrich Kornfeld
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glücklich fühlen«. (Brasch, S. 256.) Die individuelle Glück­seligkeit ist also das letzte Ziel der philosophischen Be­strebungen und zwar eine Glückseligkeit, in der sich der Zwiespalt des Egoismus und Altruismus löst. Nicht dadurch allein wird das höchste Wohlsein erzeugt, dafs alle Bedingungen der persönlichen Befriedigung vorhanden sind, sondern die Gewifsheit, dafs auch die anderen Menschen sich glücklich fühlen, mufs hinzukommen, um eine wahre Seelenharmonie zu erzeugen.

Der Begriff der Glückseligkeit ist von Mendelssohn in reinster und höchster Weise aufgefaßt, denn nach seiner Meinung kann nur der diesen höchsten Grad von innerlicher Befriedigung erreichen, der immer und unter allen Umständen das Gute thut. Und dazu soll die Weltweisheit helfen, welche den Wert einer jeden Sache theoretisch prüft und die gefundene Erkenntnis für das Leben verwertet, welche unsere Wahl des Guten zu einer Art von Instinkt werden läfst und somit uns sicherer zu der ersehnten Glückseligkeit führt. »Wenn die Leidenschaften in uns stürmen, so ist diese moralische Wahrheit nicht mehr eine bloß abstrakte Speku­lation, die in unserer Seele einzeln zur Gegenwehr dahin gestellt ist, sondern sie stellt sich unserem Gemüte in Ver­knüpfung von unzähligen kleinen Handlungen vor, die wir nach ihrer Veranlassung ausgeübt haben.« (Brasch, S. 264; vgl. S. 262.)

Mit diesen Sätzen sind wir schon unwillkürlich von der allgemeinen Aufgabe der Philosophie auf die Bedeutung der Ethik gekommen, die ja im engsten Zusammenhänge damit steht, und müssen die Mendelssohn sehe Darstellung der letzteren wenigstens noch mit einigen Worten berühren. Auch in seiner Auffassung der Ethik ist Mendelssohn kein abschliefsender, aber in seiner vermittelnden Thätigkeit bahn­brechender Charakter, indem er auf das Entschiedenste der