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würde es der Philosophie zukommen, diejenigen Punkte ausfindig zu machen, an denen die Arbeit Aller anzusetzen hat und auf die Beschränkungen hinzuweisen, welche die eigene Vernunft und die Mängel der Außenwelt uns auferlegen. »Unter unzähligen Aufgaben, die sich selbst darbieten, diejenige auszuwählen, deren Auflösung dem Menschen angelegen ist, ist das Verdienst der Weisheit.« (Ros. VII, 101 u. ff.) Dieser Forderung kann jedoch die Philosophie nur dann gerecht werden, wenn sie die Endzwecke irdischer Thätigkeit feststellt, daher ist die Philosophie nach ihrem Weltbegriff »die Wissenschaft von der Beziehung aller Erkenntnis auf die wesentlichen Zwecke der menschlichen Vernunft« (Kritik der reinen Vernunft, Transcend. Methodenlehre Hartenstein III, S. 552). Ganz ähnlich klingt eine im Dezember 1796 niedergeschriebene Aeußerung: »Philosophie ist das, was schon ihr Name anzeigt, Weisheitsforschung. Weisheit aber ist die Zusammenstimmung des Willens zum Endzweck (dem höchsten Gut)«. Hiermit stimmt die in der von Jäsche 1800 herausgegebenen Logik aufgestellte Definition vollkommen überein, wo Philosophie genannt wird »die Idee einer vollkommenen Weisheit, die uns die letzten Zwecke der Vernunft zeigt«.
Welches ist nun aber dieser Endzweck? Die Parenthese des vorletzten Citates zeigt es uns: es ist das höchste Gut, das freilich nicht bloß in der Glückseligkeit zu suchen ist, sondern auch in der Bedingung, unter der sie allein die Vernunft dem Menschen zugestehen kann, 1 ) nämlich im sittlich- gesetzmäßigen Verhalten derselben. Der systematische Einheitspunkt der ganzen Kantschen Philosophie ist ja die Sicherstellung der Moral, und es kann daher nicht verwundern, wenn die Bedingungen der Glückseligkeit auf sie
1) Belege dafür in der Rosenkranzschen Ausgabe I, 488—490, 532.