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Moses Mendelssohn und die Aufgabe der Philosophie / von Heinrich Kornfeld
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würde es der Philosophie zukommen, diejenigen Punkte aus­findig zu machen, an denen die Arbeit Aller anzusetzen hat und auf die Beschränkungen hinzuweisen, welche die eigene Vernunft und die Mängel der Außenwelt uns auferlegen. »Unter unzähligen Aufgaben, die sich selbst darbieten, die­jenige auszuwählen, deren Auflösung dem Menschen an­gelegen ist, ist das Verdienst der Weisheit.« (Ros. VII, 101 u. ff.) Dieser Forderung kann jedoch die Philosophie nur dann gerecht werden, wenn sie die Endzwecke irdischer Thätigkeit feststellt, daher ist die Philosophie nach ihrem Weltbegriff »die Wissenschaft von der Beziehung aller Er­kenntnis auf die wesentlichen Zwecke der menschlichen Vernunft« (Kritik der reinen Vernunft, Transcend. Methoden­lehre Hartenstein III, S. 552). Ganz ähnlich klingt eine im De­zember 1796 niedergeschriebene Aeußerung: »Philosophie ist das, was schon ihr Name anzeigt, Weisheitsforschung. Weisheit aber ist die Zusammenstimmung des Willens zum Endzweck (dem höchsten Gut)«. Hiermit stimmt die in der von Jäsche 1800 herausgegebenen Logik aufgestellte Defi­nition vollkommen überein, wo Philosophie genannt wird »die Idee einer vollkommenen Weisheit, die uns die letzten Zwecke der Vernunft zeigt«.

Welches ist nun aber dieser Endzweck? Die Parenthese des vorletzten Citates zeigt es uns: es ist das höchste Gut, das freilich nicht bloß in der Glückseligkeit zu suchen ist, sondern auch in der Bedingung, unter der sie allein die Ver­nunft dem Menschen zugestehen kann, 1 ) nämlich im sittlich- gesetzmäßigen Verhalten derselben. Der systematische Ein­heitspunkt der ganzen Kantschen Philosophie ist ja die Sicherstellung der Moral, und es kann daher nicht ver­wundern, wenn die Bedingungen der Glückseligkeit auf sie

1) Belege dafür in der Rosenkranzschen Ausgabe I, 488490, 532.