liehen Lebensweisheit« bestimmt? Kant ist also ganz im Einklänge mit der Aufklärungsperiode der Meinung, daß die Philosophie die engste Beziehung mit dem Leben aufrecht erhalten solle, indem sie die für die menschliche Glückseligkeit notwendigen Güter kritisch feststelle, welche nach Maß- gabe der drei Kritiken für Kant das Wahre, Gute und Schöne sind. 1 )
Man kann wohl mit Recht behaupten, daß diese Ansicht von der Bedeutung der Philosophie der Gegenwart fast völlig abhanden gekommen ist. Seitdem Fichte die Philosophie als Wissenschaft von einer Wissenschaft überhaupt definiert (Werke I, 38, jedoch II, 94), Schelling (Werke I, 150 Anm.) und Hegel (Werke II, 6; I, 218) ihre Systeme aufgestellt hatten, ist man immer mehr dazu gelangt, in der Philosophie die Wissenschaft von den Prinzipien zu sehen und ihr damit nur eine mittelbare Bedeutung für das Leben zuzuschreiben. Die Richtung auf die Totalität nämlich, welche die Philosophie in diesem Sinne charakterisiert, würde dieselbe befähigen, die zerstreuten und unzusammenhängenden Ergebnisse der Einzelwissenschaften zu einer Einheit zusammenzufassen und dadurch eine Weltanschauung zu gewinnen, welche die Vielheit der Erscheinungswelt zu einem harmonischen Ganzen vereinigt. Auf die Frage: warum man denn das thäte?, antwortet man mit Recht, daß diese Handlungsweise einem unwiderstehlichen Drange des Menschen entspräche, und die Philosophie nur zum System erhöbe, was unwillkürlich ein Jeder tagtäglich zu thun gezwungen sei. Es erhebt sich aber noch die zweite Frage: wozu denn eine solche einheitliche Weltanschauung von Nutzen sei?, und diese pflegt man gewöhnlich mit der Bemerkung abzufertigen, daß es eine Erniedrigung der Wissenschaft sei, ihr irgendwelches Streben
1) Man vergleiche hierzu Windelbands »Praeludien«, 1884.