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gemeint und auch rückhaltslos anzuerkennen ist, bezieht sich auf den Unterschied der reinen wissenschaftlichen Arbeit von der durch persönliche Beziehungen getrübten Beschäftigung, mit der man seinen Unterhalt zu verdienen genötigt ist, nicht aber auf prinzipielle Unterschiede beider Thätigkeiten. Denn das gemeinsame bei beiden ist die ersehnte Befriedigung, nur daß die des einen anderer Art als die des anderen ist und sie bei jenem in bewufster, bei diesem in unbewußter Weise sich vollzieht. »Kein Mann der Wissenschaft,« sagt Liebig einmal, »hatte oder hat je bei seinen Arbeiten den Nutzen im Auge,« aber gerade in dieser uninteressierten Hingebung an eine Sache liegt das höchste Glück. Wie die größte Wonne der Liebe das Aufgehen der eigenen Persönlichkeit in die eines Anderen ist und die opferfreudige Mutterliebe um ihrer völligen Selbstlosigkeit willen den höchsten Preis erringt, so ist auch die begeisterte Hingebung an eine Idee für den sittlich entwickelten Menschen das wahre Glück und in der scheinbaren Entsagung aller Freuden findet er die reinste Befriedigung. So ist die notwendige Folge eines richtig durchgeführten Eudaemonismus die Forderung einer Unterordnung des Individuums unter die höheren Zwecke der Menschheit, denn dadurch allein wird die vollendete Ausbildung der Persönlichkeit ermöglicht und die allgemeine Glückseligkeit ihrem Ziele näher geführt, nämlich zu sein: »die höchste Richtschnur des Handelns, der höchste Maßstab der Werte, der endgültige Prüfstein des Rechten und Guten und der oberste Schiedsrichter bei widerstreitenden Bestimmungen«. 1 )
Nachdem wir so bisher zu beweisen gesucht haben, dafs in der That die Bedeutung der Philosophie in der Beförderung der Gesamtglückseligkeit besteht, liegt es uns noch ob, die
G. von Gizycki, Grundzüge der Moral. Leipzig 1883. S. 13.