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objektiver Werte — vornehmlich des Wahren und Falschen — voraus. Psychologie und Aesthetik haben ausschliefslich mit dem Subjektiven zu thun und kommen daher nicht in Betracht; aber auch die Metaphysik, welche recht eigentlich eine Prinzipienlehre ist und sich mit der Ableitung der letzten Gründe aus dem gesamten Inhalte der Erfahrungswissenschaften beschäftigt, begnügt sich mit den beschreibenden Koordinationen und vermeidet eine aufsteigende Anordnung nach Maßgabe von Werten. Diesem thatsächlichen Zustande giebt Zeller 1 ) den treffendsten Ausdruck, indem er sagt: »Die philosophischen Disziplinen gehen alle von der
Beobachtung unserer inneren Thätigkeiten und Zustände, von dem Selbstbewufstsein aus, um auf dieser Grundlage teils die formalen Bedingungen des Wissens und die Gesetze des wissenschaftlichen Verfahrens, teils die Natur, die Thätigkeiten und Aufgaben des menschlichen Geistes, teils das allgemeine Wesen und die allgemeinen Gründe des Wirklichen kennen zu lernen«. Da also in den bestehenden Disziplinen kein Raum für die Erörterung von Problemen ist, die uns als die wichtigsten erscheinen wollen, so ergiebt sich die unabweisbare Notwendigkeit, den philosophischen Disziplinen noch eine neue hinzuzufügen, die wir als Wertenlehre oder Axiologie bezeichnen möchten. (August Doerings Güterlehre.)
Der Versuch, ein zusammenhängendes und erschöpfendes System dieser Wertenlehre aufzustellen, dürfte weder der Bedeutung der vorliegenden Arbeit, noch den Fähigkeiten des Verfassers entsprechen; es sei deshalb gestattet, nur einige besonders interessante Punkte herauszunehmen und mehr andeutend als lösend, mehr fragend als antwortend zu verfahren. Zunächst möchten wir einen Zweifel zu beseitigen
1) Ueber die Aufgabe der Philosophie u. ihre Stellung zu den übrigen Wissenschaften. Heidelberg 1868. S. 14.