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suchen, der sich leicht erheben kann, nämlich den, ob die Axiologie auch wirklich der Philosophie zugehöre, ob sie nicht vielmehr eine besondere Wissenschaft sei, deren Ergebnisse allein für die philosophischen Studien in Betracht käme. Diese Frage verneinend zu beantworten, wird man schon dann geneigt sein, wenn man die Aufgabe der Lebensweisheit in dem ausgeführten Sinne faßt und das Wesen derselben dem Zwecke anpassen will, denn nur durch eine Wertenlehre kann die Berechtigung derselben wahrhaft begründet werden; aber auch wenn man das hervorragendste Kennzeichen der Philosophie in ihrem normativen Charakter sieht, im Gegensätze zu dem deskriptiven Wesen der übrigen Wissenschaften, ergiebt sich die Notwendigkeit jener Unterordnung, weil ja gerade die Axiologie die höchsten Normen festzustellen berufen ist.
Und eine solche philosophische Disziplin ist in unserer Zeit um so notwendiger, weil der ausschliefslich beschreibende und zusammenstellende Charakter der übrigen Wissenschaften die Gefahr der Zusammenhäufung von Stoff, ohne Sichtung nach Maßgabe der Bedeutung, befürchten läßt. Sicherlich darf der Forscher bei seinen Einzeluntersuchungen nicht Rücksicht auf den Wert der verschiedenen Gegenstände nehmen. Dem Sprachforscher sind die wenigen Laute, in denen der ethische Bauer seine dürftigen Gedanken niedergelegt hat, die unausgebildeten Formen, in denen er mehr lallt als spricht, von dem gleichen Interesse wie die farbenprächtige Sprache Homers, in der das uralte Lied vom Helden Achilleus ertönt. Der Naturforscher widmet denselben Eifer der schmutzigen und unnützen Kröte wie dem edelgebauten treuen Rosse; der Kunst- und Litterarhistoriker untersucht mit ebensolcher Gewissenhaftigkeit die erbärmlichen Erzeugnisse einer unfruchtbaren Periode wie die herrlichsten Denkmäler schöpferischer und gewaltiger Zeiten.
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