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Die Veranlassung dazu lag auf der Hand: Das sächsisch-niärkischeRecht war genau genommen auf dem Standpunkte stehengeblieben, den es in den Tagen Buchs und Kerkows eingenommen hatte; seitdem waren aber Jahrhunderte verflossen, und das enge Kleid des Sachsenspiegels paßte nicht mehr in die neue Zeit, was ohne weiteres einleuchtet, wenn man einen Blick auf das Verfahren wirft. So bestimmte denn der Entwurf einer Kammergerichtsordnung von 1516, daß wegen der bisher vorhanden gewesenen Unordnung und Mängel gemeines kaiserliches Recht hinfort gehalten und danach gesprochen werden solle. Die märkischen Stände waren allerdings nicht gewillt, sich in dieser Weise dem gemeinen Rechte zu unterwerfen. Sie hatten gegen die Änderung des Verfahrens, wie solche der Kurfürst in seinem Kammergerichte einführen wollte, nichts Wesentliches einzuwenden, aber die schrankenlose Einführung des gemeinen Rechts scheiterte am Widerspruch der Stände. Nur auf dem Gebiete des Erbrechts drang der Kurfürst Joachim I. durch, da zehn Jahre später die Stände auf alle besonderen „Konstitutionen, Privilegien, Übungen und hergebrachten Gebräuche" in Ansehung der Erbfälle verzichteten und sich aus diesem Gebiete dem gemeinen Rechte unterwarfen. Im übrigen blieb das märkische Recht theoretisch bestehen, ohne indes die Kraft zu besitzen, dem Eindringen des gemeinen Rechtes nachhaltigen Widerstand zu leisten. Es entstand je nach und nach wieder märkisches Recht, da selbstredend für das Kurfürstentum Gesetze erlassen wurden, aber alles, was an allgemein märkischem Rechte vor 1527 vorhanden war, darf unbedingt als völlig abgestorben bezeichnet werden.
Es leuchtet nun ein, daß mit dem Zunehmen der gelehrten Juristen, dem Eindringen des römischen Rechtes und der Änderung des Verfahrens, das die Rechtsprechung durch Laien immer mehr als Unmöglichkeit erscheinen ließ, alle Voraussetzungen fortgefallen waren, unter denen der oberste Gerichtshof einst gedacht war. Dies entging den märkischen Ständen in keiner Weise, aber sie waren doch nicht imstande, eine Entwicklung aufzuhalten, die sich naturgemäß vollziehen mußte. So erreichten die Stände in jahrzehntelangen Kämpfen eigentlich nur, daß die Zustände, wie sie sich im Laufe der Zeit gebildet hatten, ihrer Sanktion entbehrten?) Dieser Mangel führte aber schließlich nur zur Erkenntnis, daß es dieser Genehmigung gar nicht bedürfe. Eine eigenartige Stellung nahm in diesen Kämpfen der Brandenburger Schöffenstuh?) ein, und in den Landtagsverhandlungen jener Zeit erscheint er regelmäßig hinter der Position „Kammergericht". Die längst geeinten Schöffen der
selbständig verordnen konnte, im Wege der Verordnung bestimmt war. Wie die Sammlungen von Scheplitz und später von Mylius zeigen, beginnt mit der ^oaodimioa erst das, was als märkisches Recht bezeichnet wird.
') Die Phasen dieser Entwicklung sind im Bd. 2 der Geschichte des Kammergerichts geschildert.
2) Stölzel, „Der Brandenburger Schöppenstuhl", Berlin tdM; derselbe: „Urkundliches Material aus den Brandenburger Schöppenstuhlakten" H Bde., Berlin tSM. Ls sind noch ;<)8 Bände Schöppenstuhlakten vorhanden, denen noch l8so Heffter je ein Inhaltsverzeichnis beigefügt hat. Diese Inhaltsverzeichnisse sind dann vereinigt und autographisch vervielfältigt worden. Stölzel schätzt die Zahl der vom Schöppenstuhl von tsoo—tsoo erlassenen Bescheide usw. auf mindestens zoooo, von denen kaum die Hälfte (t 4 27S) erhalten ist.