gewissen Berechtigung sagen, daß letzteres Gericht auf Grund der ständischen Verhandlungen, die zum Erlaß der Ioachimika führten, die ständische Genehmigung in seiner neuen Form erhielt. Man hatte sich in allen Punkten den kurfürstlichen Vorschlägen stillschweigend gefügt, nur hatte man dem bisherigen Rechte, abgesehen vom Erbrechte, gegenüber dem gemeinen Rechte seine Geltung gewahrt, vor allem aber die Appellation an das Kammergericht nicht erweitert?) Das bedeutete unzweifelhaft einen Sieg der Stände, aber keinen vollständigen, da bald hernack auf dem Umwege der Iustizaufsicht das Recht der Berufung erstritten werden sollte.
Schon Joachim I. hatte auf dem Gebiete der Strafrechtspflege bedeutende Erfolge davongetragen. Es ist eine unrichtige Annahme, wenn man meint, daß der einzelne Gerichtsherr — Städte oder Rittergutsbesitzer — auf Grund ihrer Gerichtsherrlichkeit die Möglichkeit besessen hätten, willkürlich ihre Bürger oder Hintersassen zu bestrafen. Ein solcher Zustand, der in früheren Zeiten allerdings zu Recht bestanden hatte, war schon im Laufe des s5. Jahrhunderts nicht mehr vorhanden. Dem Adel gegenüber betonten die Kurfürsten ihr Recht, gegen Verschlechterungen des Lehns einzuschreiten und als eine solche nahmen sie es auch an, wenn der Lehnsinhaber grausam oder willkürlich seine Hintersassen bestrafte, wobei selbstredend nur an die gröbsten Verstöße zu denken ist. In den Städten ließ man sich dagegen überhaupt nur ungern auf größere Strafprozesse, die vorwiegend Kosten verursachten, ein?) So erklärt es sich denn, daß man auf strafrechtlichem Gebiete den Eingriffen der landesherrlichen Justiz nicht das Hindernis, wie auf dem zivilrechtlichen entgegensetzte, sondern sich überraschend schnell an den Gedanken gewöhnte, daß der Verbrecher nicht sowohl den einzelnen, sondern die Gesamtheit geschädigt habe, daß also der diese vertretende Landesherr befugt sei, die Verfolgung zu kontrollieren, oder- ganz in die Hand zu nehmen. Der kleine Gutsbesitzer empfand dies als einen Vorteil, und die Städte fügten sich den Beschränkungen, die in den schwersten Fällen ihrer Strafrechtspflege auferlegt wurden. Auf diesem Gebiete hatte daher schon frühzeitig die Rücksicht auf den Geldbeutel über den Stolz der unbeschränkten Gerichtsbarkeit den Sieg davongetragen. Diese Aufsicht in Kriminalsachen, die sich zunächst nur auf die schwersten Fälle erstreckte, übte der Kurfürst durch seine gelehrten Räte aus, die bald in dieser Beziehung als eine besondere Kommission erscheinen. Ein lehrreiches Beispiel in dieser Beziehung bietet der im Jahre s5s0 vor dem Berliner Schöppengerichte geführte umfangreiche Prozeß gegen HO märkische Juden, die unter der Anklage der Hostienschändung und der Ermordung von Ehristenkindern standen?) Überall ist hier der treibende Einfluß des Landesherrn nachweisbar. Er hatte den Gerichtsstand bestimmt, er hatte in jeder Phase des Riesenprozesses eingegriffen und
1) So mag die Bemerkung des Kurfürsten Joachim II. in seiner Kammergerichts-Reforma- tion von isqo, daß sein Vater „im 26. Jar ungeferlich unserer Lammergerichts Grdnung allerley besserung zugesagt", zu verstehen sein.
2) Holtze, „Strafrechtspflege unter Friedrich Wilhelm I.", Berlin t 8 I§, S. t ff.
? „Vas Strafverfahren gegen die märkischen Juden", Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins, Heft 2 t, dazu „Forschungen zur Brandenburgischen und preußischen Geschichte" Bd. 3, s. 5gff. und Bd. H, s. I 2 tfs.