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Man wird wohl nicht falsch deuten, wenn man in dieser ganzen Kunstrichtung noch ein Nachleben klösterlicher, aber völlig von dem Handwerk übernommener Anschauungen sieht. Ist es doch gerade die Airche, die auf eine solche Kunstpflege drängte! Nicht nur in der Plastik, sondern auch in der Malerei. Nicht immer sind die Bilder mit besonderem Geschick entworfen, aber der tiefe Gehalt der christlichen Weltanschauung hat neben den überlieferten Darstellungen aus der christlichen Legende auch hier einen breiten Raum beansprucht. Das Weltgerichtsbild in St. Nikolai von etwa 1450, in dem Christus, als Weltenrichter auf dem Regenbogen stehend, das Mittelbild der drei Zonen einnimmt, ist als Fresko behandelt. Nur ein kleiner Teil ist auf uns gekommen, spricht von dem ernsten Sinn unserer Vorfahren wie auch der Totentanz in St. Marien (Abb. 59 u. 60).
Seine Abhängigkeit von niederdeutschen Vorbildern verrät die Sprache. Obwohl der einige Jahre früher in der Marienkirche zu Lübeck erstandene Totm- tanz dem Berliner Künstler nicht unbekannt gewesen sein kann, bei dem ebenfalls die Überlieferung stark hervortritt, so bekundet er doch in der feierlichen Großartigkeit der gesamten Komposition einen Ernst und eine Auffassung, die dieses Freskogemälde zu einem der ergreifendsten Denkmäler der älteren märkischen Kunst machen. Es wird vor 1470 entstanden sein und bedeckt in etwa 2 m Höhe einen Teil der westlichen und nördlichen inneren Turmwand. Leider hat die in den 60er Jahren stattgefundene Erneuerung des Kaseingemäldes der Verwitterung nicht völlig standgehalten; immerhin vermag es noch heute seine eindrucksvolle Wirkung auf den Beobachter auszuüben.
Wenn wir die vielen Stiftungen von Altären zugrunde legen, die gerade währender Regierung des zweiten Hohenzollern von den märkischen Gewerken errichtet worden sind, dann muß auch das Handwerk eine gute Zeit gehabt haben. Dem entsprechen auch die Denkmale, allen voran der eben erwähnte Totentanz in St. Marien, und der wohl aus Anlaß der Pest von 1451 entstanden ist. Aus dieser lebhaften Gewerbezeit stammt auch die Stiftung des schönen bronzenen Taufsteins in St. Marien und eines ähnlichen, aber bei dem Brande 1734 untergegangenen, in der Peterskirche. In diesen Jahren ist ferner das schöne Mönchsgestühl entstanden, das sich in dem Chore der Franziskanerkirche befindet und ein schönes Erzeugnis des Berliner
Abb. 61. Gestühl im Dom zu Havelberg.
Nach Aufnahme von Hofphotograph F. Alb. Schwartz. Berlin 87.
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