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größerem Einflüsse aber für die künstlerische Entwicklung war die Richtung und Anlehnung der neuen Malerei an die italienische Renaissance, die zunächst in klassischen Motiven und in der lehrhaften, wenn auch stilistisch wohl abgewogenen Darstellung sich äußerte — ganz im Gegensatz zu der derben Realistik der sächsischen Maler mit ihrem engen, aber doch auch wiederum volkstümlichen Horizont. Man wird diese Entwicklung bedauern müssen; denn sie unterband einer echt volkstümlichen, durch die Entwicklung und durch die ethnographischen wie landschaftlichen Beziehungen emporgewachsenen Kunst das Leben zugunsten einer Fremdkultur, die nur in den oberen Schichten Boden faßte. Auch wenn man die Belebung der Kunst durch diese italienische Beeinflussung hoch einschätzt, ist die Einbuße gerade in dieser Zeit, in der die Kunst eben in Deutschland volkstümlich wurde, bedauerlich. Me hätte sich die Malerei aus brandenburgischem Boden entwickeln können, wenn sie, durch die Städte und das Fürstenhaus vereint unterstützt, hätte in nationalem Geiste erstarken können! Me wenig fremde Einwirkungen auf den Volksgeist zu wirken vermochten, zeigt die Tatsache, daß die Tafelmalerei zwar in der Porträtkunst und in den zahlreichen jetzt besonders von den Hofbeamten und den Bürgern gepflegten Votivbildern, Epitaphien und zahlreichen Altarbildern ein reiches Anwendungsgebiet fand, wie einzelne Denkmäler besonders in der Berliner Nikolaikirche (Erweckung des Lazarus 1552, Himmelfahrt 1554) bezeugen, daß aber die imposante Größe der Auffassung, die an den älteren Wandmalereien zum Ausdruck kam, verloren ging zugunsten einer handwerklichen und schematischen Darstellung, die mit dem fast naturnotwendigen allegorischen Beiwerk oft genug die Einheitlichkeit und künstlerische Unmittelbarkeit erdrückte. Möglichst viel sollte ein solches Bildwerk dem Zuschauer sagen, möglichst kräftig und eindringlich auch den Unterschied weltlichen und himmlischen Lebens künden. Tod und Auferstehungsgedanken, die durch den Protestantismus zwar vor der Fessel antikisierender Auffassung gesichert blieben, die aber doch nicht die Tiefe der alten Mysterienschilderung erreichten, sondern auf die Stufe qualvoller Tendenzschilderung zurücksanken, beherrschten die Kunst und hielten sie fest in engem, dumpfem, in realistischen Kleinzügen noch gesteigertem Geistesbann. Wenn auch vereinzelt sich ein Kunstwerk aus diesem Bann zu befreien sucht, wie in dem Christus mit der Siegesfahne in St. Nikolai zu Berlin, so war eine Abkehr um so weniger möglich, als diese Richtung anderthalb Jahrhunderte später in dem Pietismus eine geistesverwandte Fortsetzung fand.
Der Gedankenkreis dieser Kunst ist klein, wie bereits Borrmann hervorhebt; er beschränkt sich im wesentlichen auf die Anlehnung und Auslegung der Stellen des Alten Testamentes, die von der Erlösung des Menschen handeln und die oft als Text beigefügt werden, aber er vermeidet es fast ängstlich, auch die Offenbarungen des Neuen Testamentes, wie es die protestantische Lehre eigentlich voraussetzen sollte, in den Darstellungskreis zu ziehen. Von der Renaissance wurde diese Malerei durch einen zunächst noch verständlichen, später immer mehr allegorisch umkleideten kirchlichen Schematismus bereichert, aus der gotischen Vergangenheit aber durch eine üppige Phantasie dem Verständnis weiter Kreise nahegerückt. Es mischen sich Gläubigkeit und Weltlichkeit, ein oberflächlicher Formalismus mit einer tieferen Gedankenwelt, wie es das Epitaphium des Bürgermeisters Thomas Matthias von 1576 (?) bezeugt, auf dem der symbolische
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