Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
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und allegorische Inhalt fast jede Natürlichkeit erdrückt hat. Mit vollster Unbefangen­heit, indessen nicht mit überzeugender Klarheit stehen an der Darstellung des Kötteritzschen Denkmals in St. Nikolai die Gleichnisse der Apokalyphe unmittelbar neben mytholo­gischen Szenen, zu denen auch Wappen, Tierdarstellungen und Masken mit allerlei Fruchtgehängen und Engelsköpfen treten. Demgegenüber ist das Denkmal des Kurfürstlichen Rates Bagius in der Marienkirche zu Berlin, das vielleicht von dem erwähnten Schnee­berger Bildhauer Schneuzlich stammt, in seiner gemessenen Ruhe und Überzeugung noch ein Fortschritt.

Auch in der Altarkunst läßt sich die neue Richtung nicht zurückdrängen, obwohl gerade hier die kirchliche Überlieferung noch stark widerstrebte. Während der oben erwähnte Altar in Alt-Krüssow von etwa 15 50 noch völlig in der gotischen Gedankenwelt befangen ist, strebt die von den hofbeamten geförderte neue Altarkunst aus diesem Rahmen heraus, ja sie sucht durch Bevorzugung der Steinplastik eine ganz veränderte Richtung auch äußerlich festzuhalten. Der an den Flügeln bewegliche Altarschrein wurde unbeweglich und dadurch die ganze Anordnung verändert. Ein von den Brüdern Reiche in St. Nikolai zu Berlin gestifteter Marmoraltar von 1559 beginnt diese Entwick­lung, die mit dem berühmten, 1582 von dem Grafen Rochus von Lynar in Spandau gestifteten Monumentaltar ihren künstlerischen Höhepunkt erreicht. Die Pedrella ver­schwindet, da es ja keine Reliquien mehr zu bewahren gibt, fast ganz; der Altar wird zum prunkenden Zeugnis für die Donatoren, deren Wappen und bildliche Darstellungen die biblischen Szenen immer mehr verdrängen. Noch ist freilich die bildnerische Kunst nicht aus der gewohnten Eingliederung gelöst, wie es wenige Jahrzehnte später eintrat; aber schon das stärkere Betonen der weltlichen Stifter gibt die Richtung für eine gänzlich veränderte Auffassung an, die durch den Protestantismus nicht angeregt, sondern nur be­schleunigt wurde.

In der Grenzstellung zwischen gläubigem Ehristentum und humanistischer Welt­lichkeit, zwischen der landgeborenen Überlieferung und der höfischen, durch das Bürger­tum wenigstens gewerblich unterstützten Richtung, lagen die Keime späteren Stillstandes. Es war von vornherein ein Verhängnis, daß die ehemalige Gläubigkeit mit dem Inhalt der bildnerischen Darstellung in einen Gegensatz geriet und schließlich durch die huma­nistische Allegorie dem christlichen Kunstwerk entfremdet wurde, wenn auch die Wirkung der realistischen Kleinschilderung diese Entfremdung zunächst noch nicht offenbar werden ließ. Aus der klaren Gliederung der Komposition meldet sich aber schon die puritanische Strenge des bilderfeindlichen Frühprotestantismus an, mehr wenigstens als das Erbe der Gotik, die wenn sie allein auf dem Handwerksboden geblieben wäre vermutlich nur die Form, nicht den eingekapselten Gedankeninhalt gewechselt, und in dem seltsamen gelehrten Mummenschanz der Renaissance nur eine vorübergehende allegorische Stütze gefunden hätte.

Das gewerbliche Handwerk ist aber im Gefolge der Ioachimschen Kunst­bestrebungen selbst innerlich durch neue Anregungen aus seiner Bahn gedrängt worden. Die Stufenleiter aus dem biblischen Kreis zu einer mythologisch bereicherten Darstellung drang aus den Schlössern und den Kirchen auch in die Privatwohnungen, weniger durch die Möbel als durch Metallwaren, durch die Anregungen infolge der Buchdruckerkunst, die in der Weißschen Offizin in Berlin einen hervorragenden Vertreter hatte, und am