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Werkstätten stammend — bezeugt eine Geschicklichkeit und künstlerisches Verständnis, das an textilen Erzeugnissen auch Ende des 16. Jahrhunderts nicht ganz gewöhnlich war. Freilich deuten die schweren Formen auch noch südlichen Einfluß an, der auch bei den Arbeiten in Edelmetall vorherrscht. Wie wir wissen, hat schon Joachim II. einen Goldschmied nach Berlin gezogen; auch Johann Georg war in seinen letzten Regierungsjahren, als er durch eine sparsame, oft geizige Verwaltung die zerrütteten Finanzen wieder in Ordnung gebracht hatte, den Luxuskünsten durchaus nicht unfreundlich gesinnt, hatte er doch 1581 in Berlin ein prunkvolles Turnier stattfinden lassen,
von dem ein gleichzeitiger Thronist begeisterte Schilderung entwarf; hatte auch der
Luxus unter den Bürgern gerade unter seiner Regierung eine höhe erreicht, daß er
mit strengen Verordnungen dagegen einschreiten mußte (s. Bd. III S. 91)! Äußerlich
ging es den Märker wohl nicht schlecht; der biedere Klempnermeister Martin Treptow fand 1584 recht bittere Worte in der Einlage des Turmknopfes von St. Nikolai. Aber wann klagte der Berliner nicht?
Als der Fürst 1598 die Augen schloß, war ein tüchtiger Stamm von Künstlern tätig. Sein Nachfolger Joachim Friedrich brauchte nur sortzusetzen, was er. begonnen hatte. Er kam nicht viel dazu, denn in den zehn Jahren seiner Regierung nahmen ihn größere politische Sorgen in Anspruch. Doch zögerte er nicht, den Schloßbau mit den vorhandenen Kräften weiterzuführen. Es waren zwar nur untergeordnete, nunmehr längst verschwundene Gebäude, doch gaben sie dem Schlosse, das aus vereinzelten Gebäuden bestand, ein geschlossenes Aussehen, würdig der Residenz eines Kurfürsten von Brandenburg. Unter Joachim Friedrich wird auch zuerst die „Kunstkammer" erwähnt, eine Sammlung von Raritäten und Kunstwerken, die unter dem Großen Kurfürsten erheblich vergrößert und der Ausgangspunkt der späteren Königlichen Museen wurde. Ob der Kurfürst überhaupt persönlich Anteil an der pflege der Kunst genommen hat, darüber fehlt jede Kunde. Jedenfalls wissen wir nichts von größeren Taten, dürfen auch kaum annehmen, daß sich dadurch die Lage wesentlich verändert hätte. Es fehlte der Zeit an impulsiven Kräften, um der künstlerischen Entwicklung neue Gedanken zuzuführen. Es erstarb im Gegenteil jeder frische Zug in den konfessionellen Streitigkeiten, die das öffentliche Leben zersetzten. Ja, man kann unter dem Nachfolger Johann Sigismund 1608—1619), der als strenger Kalvinist wenig Interesse für die Kunst hatte, eher einen Rückschritt bemerken. In seine Zeit fällt die Entblößung des Domes von seinen gewiß ansehnlichen Kunstschätzen; es scheint jedoch, als ob dieses Beispiel nicht allgemein nachgeahmt worden wäre. Allein die Berliner Kirchen zeigen, daß sie noch immer Mittelpunkte für eine halb öffentliche, halb private Kunstbetätigung waren.1) Auch die „götzendienerischen Schilderten" des Domes, von denen ein Jüngstes Gericht von Lukas Cranach gerühmt wird, fanden in einer anderen Kirche weitere Verwendung, denn der Kurfürst schenkte sie seinem Kammerjunker Konrad von Burgsdorf, der sie nach seiner neumärkischen Dorfkirche in Hohenziethen brachte. Leider sind sie 1833 mit der Kirche durch Brand vernichtet worden.
Daß die von Berlin ausgehende Baubewegung durch einen zeitlichen Stillstand
1) Darunter befindet sich eine gutgemalte Darstellung der inneren Nikolaikirche, die zu dem Votivbild des Johann und der Karitas von Kötteritzsch (gest. 1609 bzw. 1615) gehört.