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Den Frieden wußte der Fürst seinem Lande bald zu sichern. Dann aber galt es in jahrelanger Arbeit die Wunden zu heilen, die der Krieg verursacht hatte. An Kunst durfte der Kurfürst zunächst nicht denken. Das Jahr 1648 brachte den langersehnten Frieden und damit die Kräfte langsam zurück, um der eingerissenen Unordnung und dem Verfall der grausam dezimierten Bevölkerung entgegenzutreten. Dazu bedurfte es aber Lehrmeister und Führer, die Friedrich Wilhelm aus Holland, dem Lande seiner fugend, der Heimat seiner Gattin Luise Henriette, in umfassendster Weise heranzog. Holländische Ingenieure und Architekten, Maler und Bildhauer folgten der Einladung. Wie eine Neuschöpfung im großartigsten Maßstabe wuchs unter der zielbewußten Sorge des Kurfürsten eine neue Kunst auf, die in keiner Weise mehr von der Gotik belastet war, die aber vorderhand auch an die noch erhaltene Kunst der märkischen Renaissance nicht anknüpfte, sondern mit frischer Wurzel in den Boden gesenkt wurde. Daß sie sich sehr schnell mit den einheimischen Talenten verband und in einem höheren Sinne bodenständig wurde, das lag zum größten Teile an der inneren Verwandtschaft beider Landgebiete.
Auch in Holland war die Kunst lange Zeit von bäuerlichen und bürgerlichen Anschauungen getragen worden. Im Gegensatz zu der höfischen Richtung der Flamländer, die unter Peter Paul Rubens die europäische Kunst beherrschte, war in dem eigentlichen flachen Holland die Kunst bürgerlich geblieben und im bürgerlichen Sinne gepflegt worden. Ihre Wurzeln lagen ebenso in den wohlgebauten Bauernhäusern wie in den Wohnungen der reichen Kaufleute. Sie versucht wohl, den geistigen Schwung der wissenschaftlichen Kultur des 17. Jahrhunderts mitzumachen; da ihr aber die Leichtigkeit und die glutvolle Sinnlichkeit der französisch beeinflußten Flamländer fehlten, so blieb sie auf halbem Wege stecken und wirkte daher vielfach schwer in ihrer derben Realistik. Zum Teil ist die Kunst noch bäurisch gerichtet; ihre Träger sind weniger die großen Herren als schlichte bürgerliche Kaufleute. Diese Kunst ist es, die durch die holländischen Künstler an den Hof des Kurfürsten gelangte und sich auch unter seinem Nachfolger behauptete, wenn sie auch den Forderungen des höfischen Geschmacks nur teilweise entsprach. Dieser Zwiespalt zwischen höfischer und bürgerlicher Kunst beherrschte die nächsten Jahrzehnte. Stellenweise versuchten die Künstler, den durch französische und italienische Einflüsse angebahnten höfischen Linien zu folgen, aber sie konnte sich nicht aus der engen Panzerung ihrer handwerksmäßigen Befangenheit befreien. Auch der Inhalt blieb begrenzt. Die Künstler verstanden es wohl, zu charakterisieren, weil sie im Grunde realistisch dachten und'schufen, indessen sie können es nur mit Unterstützung äußerlicher antikisierender Kleinzüge, die vielfach überwogen und die großzügig gedachten Ausführungen in der Schwere einer oft aufdringlichen Phantasie erstickten. Dagegen fügte sich diese Kunst jetzt um so leichter der Architektur ein, die schon unter Georg Wilhelm die ursprünglich knappen Konstruktionsformen unter einem Mantel dekorativer Zutaten zu verdecken trachtete. Waren die Architekten des Großen Kurfürsten zum Teil auch Ingenieure, deren Kunst oft auf der unverhüllten Konstruktion beruhte, so wurde ihnen doch die bildende Kunst aufgedrängt und mit ihr eine üppige und allegorienreiche, in der Hauptsache dekorative Bildnerei und Malerei. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist diese holländische Erbschaft abgestreift worden.