Nicht minder als bei seinen Vorfahren waren Friedrich Wilhelms Gedanken auf die Hebung der Gewerbe und der Künste gerichtet, deren innige Beziehungen in Brandenburg mehr noch zutage treten als in Holland. Dagegen zeigte dieses den großen Wert fahrbarer Wasserstraßen und großer Städte, die sowohl den Verteidigungsforderungen als auch baulichen Wünschen entsprachen. Dem Befestigungswesen wandte er sich daher zunächst zu, und zwar in erster Linie in der Stadt Berlin. Dazu war Grund genug. Aber ein Drittel der Häuser standen noch 1644 leer; drei Jahre vorher waren die Vorstädte abgebrochen, nachdem schon die Häuser an der Stadtmauer verschwunden waren. Berlin-Cölln glich mit seinen 6000 Einwohnern einer toten Stadt mit Gras und Wucherpflanzen auf den Straßen und breiten, öden Lücken in den Häuserzeilen. Sie werden sich bald gefüllt haben, ohne das Straßen- und platzbild wesentlich zu verändern; aber das architektonische Gesicht nimmt ernstere und straffere Züge an als ehemals, da sich die schmalgiebligen Häuser in buntester Mannigfaltigkeit aneinander drängten, vor und zurücksprangen und die großen Dielenflure noch halbwegs zur Straße zählten. Es war das patriarchalische Alter der deutschen Stadt, in das mehr vorwurfsvoll als dräuend bisweilen eine Verordnung des sonst so strengen und unnachsichtlichen Rates nur vorübergehend den bürgerlichen Eigenwillen lähmte. Wie gemütlich es vordem in unseren märkischen Städten ausgesehen hat, das schildert uns Nlerian in seiner Beschreibung Spandaus: „Die Stadt ist von Gebäuen schlecht (d. h. schlicht — einfach), hat große lange Gassen und ist umbs Jahr 1605 fast kein Haus allhie gewesen, da nicht vor der Thür zwo Bänke mit Lehnen, die Länge heraußgebauet, gestanden, daß auch vier und fünff Personen aufs jeder haben sitzen können."1) Von Berlin sagt er: „Es seynd da die Häuser auf die Art wie Spandau, mit den Bänken vor den Thüren gebauet", und dann weiter: „Die Häuser seynd mit Gibeln vornen herauß und die Gassen daran breit und sauber. Es ist diese Stadt nicht sonderlich groß, und ist von schlechten Gebäuen." Noch 1660 erzählt uns die „Brunnen- und Gassenordnung" des Kurfürsten von den Bäumen und Weinstöcken, die vor den Häusern standen und niemand beschädigen sollte.
Dieses friedliche Bild ist in dem Kriege gründlich zerstört worden. Das Berlin, das der Große Kurfürst hinterlassen hat, ist ein ganz neues Gebilde, das die Straßen der Altstadt zwar nicht wesentlich veränderte, um das jedoch wie ein fester Reifen die zackigen Linien einer neuen Befestigungsweise einen gewaltigen Prospekt aufgerichtet hatte, auf den das Straßensystem strebte. Das Niederlegen der Häuser an der Stadtmauer hatte Raum für ein zweites äußeres Straßensystem geschaffen, das wie ein Ring die leicht gekrümmten Altstadtstraßen umklammerte und in seinen Ansätzen schon die künftige preußische Königsstadt mit ihrer gradlinigen Geometerkunst ankündigte. Auch in der Altstadt ließ der Kurfürst alle Rampen, Beischläge und Treppen entfernen, um die Pflasterung der Straßen — wenn auch noch mit sehr geringem Erfolge — durchzusetzen. Der Name des Künstlers, dem der Kurfürst im wesentlichen die Anlage des Berlin- Cöllner Festungsgürtels anvertraute, des Niederländers Memhard, bezeugt die bewußte Absicht, künstlerische Grundsätze damit zu verbinden. In der Erkenntnis, daß in den Altstädten sich neue Gestaltungen nur in den zu errichtenden Wohnhäusern — nicht durch Veränderung der Straßenzüge! — und durch die Errichtung weniger
1) Topographia e lectoratus Brandenburgici et ducatus P omeraniae u sw. Frankfurt 1 652.