Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
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monumentaler Tore durchsetzen ließ, lag das künstlerische Schwergewicht bei der Anlage der neuen Vorstädte. Drei entstanden außerhalb der Bastionen: Friedrichswerder, Neu-Cölln und die Dorotheenstadt. Soweit nicht die örtlichen Umstände eine andere Anlage bedingten, kam bei ihnen das alte Kolonialschema der rechteckig sich schneidenden Straßen zu einer erweiterten Herrschaft, unter der auch dem Platze eine ästhetische Bedeutung zugesprochen wurde. Wenn auch die künstlerischen Aeime erst später voll zur Entfaltung kamen, so war doch der Weg für die Zukunft eines neuen städtebaulichen Grundsatzes gewiesen, der den Ersatz der architektonischen Vertikallinie durch die horizontale bewirkte und damit eine gänzliche Umwandlung in dem Stadtbilde einleitete. War das alte Stadtbild auch in seinen höchsten künstlerischen Erscheinungsformen von der Zweckmäßig­keit abhängig, die durch das politische Gesicht der Stadt vorwiegend bestimmt wurde, so kamen jetzt auch bewußte künstlerische Vorstellungen zum Durchbruch.

Freilich nicht mit einem Wale. Des Großen Kurfürsten Städteschöpfungen, die nicht mit Berlin-Cölln vereinigt wurden, sondern unter eigenen Stadtverwaltungen standen, deuteten nur den Weg an. 5ie hatten nicht den Ehrgeiz die bürgerliche Baukunst von Grund auf umzugestalten; sie waren auch in ihren Prachtbauten rein persönliche Äußerungen des kurfürstlichen Herrn, der sie indessen durch seine Architekten so in das Straßenbild, als Abschluß, Erweiterung oder Eckbildung zu stellen wußte, daß die später entstehenden bürgerlichen Bauten stets von ihnen abhängig blieben. Am eindrucks­vollsten ist die großzügige Planung wohl bei der Anlage der Dorotheenstadt zur Aus­führung gekommen, bei dieser Vorstadt, die sich wie eine Gartenstadt von dem alten Schlosse in den Tiergarten hineinschob und den monumentalen Anfangspunkt einer Baumallee bildete, die nach dem neu erbauten Fürstensitze in Tharlottenburg führte. Ihre Achse war die Straße Unter den Linden, deren Breite und vierfache Baumreihen einen großartigen architektonischen Gedanken darlegten, der auch in anderen Städte­anlagen des Großen Kurfürsten zum Ausdruck gelangte. Es hat wenig zu bedeuten, daß er aus Holland zu uns gekommen ist; die künstlerische Kühnheit, durch eine solche Anlage der Entwicklung von Jahrzehnten vorzugreifen und für sie Bestimmungsgesetze zu schaffen, das ist das Verdienst des Kurfürsten und seiner großen Architekten; das erinnert an die Großzügigkeit der Grundherren des 13. Jahrhunderts, die in ähnlicher Weise den Osten mit künstlerisch vollkommenen Dorfanlagen besetzten.

War die Straße der Berlinische Anfang, der sich in ländlichen Formen bis nach dem Dorfe Lietzow mit seinem Schlosse hinziehen sollte, so bildete dieser Bau wieder ein besonderes Zentrum, von dem aus eine gleiche Verbindungsallee nach Süden hin geplant war. Sie ist kaum über ihre Anfänge hinaus gediehen und im 19. Jahr­hundert durch ungeeignete Bebauungspläne zum Teil wieder vernichtet worden; aber die Schöpfung des neuen Schlosses bestimmte doch die Grundlinien der späteren Stadt Thar­lottenburg. Am reinsten aber kam der Gestaltungswille des Fürsten in Potsdam zur Geltung, wo seit Joachim I. ein Schloß erstanden war, an dem seine Nachfolger großes Interesse zeigten, ohne jedoch den ländlich-bürgerlichen Tharakter der Kleinstadt in irgendeiner Weise künstlerisch aufzuheben. Der eigentliche Schöpfer des neuen Potsdam ist ebenfalls der Große Kurfürst, der hier nicht mit örtlichen, durch Festungswerke vor- gezeichneten Hemmungen zu kämpfen hatte. Durch ihn erstand eine Reihe von ansehn-

Brandenburgische Landeskunde. Bd. IV. 6