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Verhältnisse, unter denen besonders die reich ornamentierte Decke zu leiden hat, äußern eine wuchtige gemessene Pracht, die in einem Widerspruch zu der schlichten Außenarchitektur der Zeit steht, die hier aber die glänzende Lebensarbeit eines sieggewohnten Herrschers zum Ausdruck bringen soll. Michael Matthias Smids hat den Saal unter der Mitwirkung Nehrings geschaffen und dabei eine enge Verbindung von Architektur und Plastik angewandt, die für das ganze 17. Jahrhundert ziemlich vereinzelt steht, wenn man von dem Herrensaal im Haager Binnenhofe absieht, der nach Galland das Vorbild abgegeben hat.1) Der Saal war reich an korinthischen Pilasterstellungen gegliedert, die die etwas niedrige Decke trugen und in ihrer Reihe von 16 Marmorstandbildern unterbrochen wurden. Die künstlerisch bedeutendste Persönlichkeit unter den Bildhauern des Großen Kurfürsten, Bartholomäus Eggers, fand hier ein dankbares Feld seiner Tätigkeit. Da er einen Auftrag schon 1674 erhielt, zwölf Kaiserbüsten zu liefern, und erst 1687 persönlich nach Berlin kam, so folgert Galland wohl mit Recht, daß die Kurfürstenstatuen des Alabastersaales in Holland angefertigt worden seien. Sie stellen Friedrich I., Friedrich II., Albrecht Achilles, Johann Cicero, Joachim I., Joachim II., Johann Georg, Joachim Friedrich, Sigismund, Georg Wilhelm, Friedrich Wilhelm dar, denen nachträglich noch Friedrich III. hinzugefügt wurde. Außerdem wurden Statuen von Julius Cäsar, Konstantin dem Großen, Karl dem Großen, Rudolf von Habsburg geliefert. Auch die sechs Reliefs, die die Diplomatenloge des Alabastersaales schmücken und die Taten und Tugenden des Hauses Hohenzollern preisen, sind nach Galland auf Eggers zurückzusühren. Wieweit freilich die persönliche Tätigkeit des Bildhauers ging, ist zweifelhaft, da dieser tätige Künstler eine größere Werkstatt besaß, auf die der genannte Kunsthistoriker die Bildwerke des Großen Kurfürsten und Friedrichs III. zurückführt.
Es war also ein richtiges Pantheon der deutschen und brandenburgischen Geschichte, das in Berlin unter den Augen des Kurfürsten erstand. Man wird nicht fehl gehen, weitere zwölf Kaiserinnen, eine Pallas Athene und eine Vase, die Michael Matthias Smids 1682 bestellte, und über deren Ablieferung drei Jahre später ein Prozeß entstand, mit diesem Pantheon in Verbindung zu bringen, obwohl es nicht ersichtlich ist, wie ihre Verwendung gedacht war. Selbst wenn man die kräftige, zum Teil schwülstige Kunst dieser bildhauerischen Arbeiten, auf die vielleicht die Kunst des Peter Paul Rubens nicht ohne Einfluß war, auf Rechnung eines ausgedehnten geschäftlichen Betriebes setzt, wird man die Großartigkeit eines solchen Baugedankens nicht hinwegleugnen können. Daß sie künstlerisch nicht völlig befriedigt (wenigstens soweit wir Kenntnis haben) tut dem Gedanken, in Berlin einen solchen Prunkraum zu schaffen, keinen Abbruch. Die Auflösung der Fläche, die bereits unter den Vorgängern des Großen Kurfürsten bei den Grabdenkmälern sich ankündigte, und die unter dem Nachfolger zum künstlerischen Grundsatz wurde, war ein Widerspruch gegen die architektonische Strenge der Ingenieurarchitekten, aber sie wurde hervorgerufen durch die Mitwirkung so vieler Bildhauer von Ruf, die anscheinend als gleichberechtigt neben jenen sich Geltung verschafften. Gesteigert wurde
1) Galland, dessen Werke außerordentlich zur Aufhellung dieser künstlerischen Beziehungen zu Holland beigetragen haben, will auch Einflüsse des Haager Bildhauers Symon Bosboom gelten lassen.