Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
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der Berliner Hofkunst schließen (Abb .88). Nur im südlichen Gebiete schlagen noch schwache Wellen der sächsischen Kunst über bas Land, jedoch ohne bemerkenswerte Leistungen hervorzubringen (Schloß Senftenberg). Wan wird diese strenge Zentralisation der Kunst verstehen, wenn man die unglückliche Lage des Landes bis 1648 im Auge behält und nun Schritt für Schritt den großen Fürsten vorschreiten sieht, in die blutlosen Kanäle des Staates wieder Leben zu gießen. Da konnte er zunächst nur in seiner Haupt­stadt beginnen und es der Zukunft überlassen, diese Anregungen auf das Land ab- sließen zu lassen.

Wir sehen indessen noch eine andere Wandlung in dem Vorgehen des Großen Kurfürsten. Im Beginn seiner Regierung zieht er vorwiegend Baukünstler nach Brandenburg (Nehring, Memhard, de Chieze) und daneben einzelne Bildhauer und Bildnismaler (Honthorst, Duzart u. a.) von größerem Ruf; am Schlüsse aber kommen die Wittelmäßigkeiten, darunter vorwiegend Waler, in die Residenz des Fürsten. Viel­leicht lockte der Ruf des brandenburgischen Herrschers gerade die vielen nach Berlin, die in ihrer Heimat keine ausreichende Beschäftigung fanden, wahrscheinlicher ist jedoch, daß der Große Kurfürst erkannt hatte, wie notwendig der Industrie und dem Handwerk eine Zufuhr frischen künstlerischen Blutes war, die von den, durch seine Aufgaben vollauf in Anspruch genommenen Künstlern allein nicht geleistet werden konnte, hier waren ihm offenbar auch die Kräfte willkommen, die nicht durch hervorragende Leistungen legitimiert waren. Ob es gerade der beste weg war, den er einschlug, mag fraglich sein; der Erfolg war jedenfalls da und schuf eine Grundlage, auf der die Kunst des folgenden Jahrhunderts ungeahnt emporblühen sollte.

Die Hofkunst Friedrichs I.

War die Kunst unter dem Vorgänger dieses Fürsten trotz aller fremden Einflüsse durch das Schwergewicht bodenständiger Interessen zum großen Teil brandenburgisch gestimmt, so verlor sie unter seinen Nachfolgern diesen Zug infolge einer kräftigen Ein­wanderung fremder Künstler, wenn auch bei dem Großen Kurfürsten eine besondere Vorliebe für die künstlerische Verherrlichung seines Hauses vorhanden war, so gab die Richtung für seine Entschließungen doch immer eine starke Rücksicht aus die gewerbliche Lage. Auch die Emigranten aus Frankreich, die unter dem Großen Kurfürsten in erheb­licher Anzahl nach Brandenburg kamen, brachten Kunstanschauungen mit, die einen Einfluß ausübten, als nachmals der holländische Geschmack in eine mehr französische Richtung umschlug. Der künstlerische Sinn war überdies durch die italienische Kunst für jene aufnahmefähig geworden. Jedenfalls kreuzten sich holländische und französische Kunst schon unter dem Großen Kurfürsten, unter dessen holländischen Künstlern zahlreiche Stukkatoren (Baratta, Belloni, Carove, Nove, Simonetti u. a.) das Innere der Schlösser und vieler Bürgerhäuser in italienischer Weise ausschmückten. Freilich beherrschten sie weniger das graziöse Linienspiel ihres Heimatlandes als eine schwere erstarrende Über­fülle plastischer Verzierungen. Auch mangelte ihnen die kühne, formenreiche und ge­wissenhafte Art der italienischen Renaissance, für deren Handhabung eine starke Aber-