Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
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hier auf diesem dankbaren Boden Werke zu schaffen, die den Ruf des künstlerischen Berlin weit über die Landesgrenze hinweg trugen. Wenn vordem häufig die branden- burgischen Herrscher Künstler aus der Fremde herbeigezogen hatten, so blieb ihre Kunst doch im großen und ganzen eine provinziell beschränkte Residenzkunst, wie wir sie im 16. Jahrhundert überall in den deutschen Landen aufsprießen sehen. Sie war trotz aller Hinneigung zur reiferen Hofkunst im Grunde bürgerlich und zeigte wenig Neigung, die strenge Überlieferung der Renaissance zu durchbrechen. Die Bauten der Nehring, Smids, Langerveld u. a. könnten ebensogut in einer jeden deutschen oder holländischen Stadt stehen, so wenig haben sie eigentliches Landesgepräge. Das wurde anders, als Friedrich begann, die Hauptstadt der Kurmark zu einem glänzenden Sitz des preußischen Königs zu machen.

Das zeigt schon die Anlage der Straßen und Plätze. Berlin war zwar durch den Befestigungsgürtel des Großen Kurfürsten erheblich erweitert, aber die Stadt blieb doch noch immer durch die Forderungen kriegerischer Wehrhaftigkeit gehemmt. Eine plan­mäßige und großzügige Weiterführung der Straßen und Plätze mit Berücksichtigung be­stimmter künstlerischer Wirkungen und in der Richtung, daß die Bauwerke zu beherr­schenden Mittelpunkten für dis anschließenden Bauten wurden, das kam erst unter dem ersten Könige zur völligen Erkenntnis. War die Stadt vorher ein Verwaltungsmitteb punkt, der in dieser Stellung noch immer durch die geschichtlich berechtigte Nebenbuhler­schaft von Brandenburg a. d. H. und Stendal beengt wurde, so entwickelte sie sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu der Residenz eines königlichen Herrschers, die diese Stellung auch in ihrem Stadtbilds zur Schau tragen sollte. Der schon vorgezeichnete Ausbau des Friedrichswerders und der Dorotheenstadt wurde vollendet; die Straßen der Friedrichsstadt wurden bis zur Mauer- und Junkerstraße vorgeschoben und im Norden der Spree neue Stadtviertel angelegt.

Große künstlerische Aufgaben standen vor den Architekten des Fürsten. Und diese, die schon an der Stadterweiterung des Großen Kurfürsten tätig waren, zeigten sich ihnen gewachsen. Memhard, dem wir den ersten größeren plan Berlins verdanken, und sein Lehrer Michael Matthias S mids, hatten aus ihrer holländischen Heimat die An­regung zu breiten, baumbestandenen Straßen und weiten, einheitlich umbauten Platz­anlagen mitgebracht. Sie starben früh. Nur der formenreichere Joh. Arnold Neh­ring konnte die holländische Überlieferung noch bis zum Jahre pflegen. Von ihm stammen die Entwürfe für das Schloß in Oranienburg, für die Kapelle im Schlosse Cöpenick (Abb. 89), für denNkarstall, die spätere Kunstakademie, für die, von Grünberg etwas veränderte parochialkirche, für die Lange Brücke und für viele Gebäude in der Friedrichs­stadt. Die strenge Sachlichkeit dieser Künstler, die bisweilen recht nüchtern war, hat eine künstlerisch einheitliche Ausgestaltung des Straßenbildes bewirkt; aber sie hat nicht, wie wir es später in Deutschland so oft bemerken, die natürlichen Verhältnisse vergewaltigt. Der Hackesche Markt, ein durch die Vereinigung zweier Landstraßen entstandener dreieckiger Platz, hat die natürliche Form behalten; dagegen zeigt schon der Werdersche Markt das Bestreben nach einer Anlage, die nicht zum Auffangen der Straßen dient, sondern ein Ruhepunkt für Fußgänger und eine Promenade für die Anwohner sein sollte. Die natürlichste Folge dieser Absicht war, daß auch die Architektur entsprechend