Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
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einmal wissen, wieweit wir in vielen Fällen seine Hand von der seiner Gehilfen zu trennen haben; so hat seine machtvolle, künstlerische Persönlichkeit doch den ziellos wirkenden Kräften in Berlin Richtung und Programm gegeben. Im Sommer 1694 kam Schlüter aus Polen und trat mit dem verhältnismäßig hohen Gehalt von 1200 Talern jährlich in den Dienst des Kurfürsten; er kam als Bildhauer und Lehrer der von dem Kurfürsten beab­sichtigten Akademie, der sogenannten Bildhauer- und Malerschule, nach Berlin. So wichtig es für die Zukunft war, daß die einflußreichste künstlerische Persönlichkeit zunächst als Bildhauer erschien, so wird man seine umfassende Tätigkeit jedoch nur würdigen können, wenn man die künstlerische Richtung ins Auge faßt, die er bei seinem Eintritte vorgefunden hat.

Wie Memhard unter dem Großen Kurfürsten, so war Joh. Arnold Nehring unter seinem Nachfolger die führende Künstlerpersönlichkeit, die in manchen Aufgaben: Leip­ziger Tor 1683, die Kaufläden auf dem Schloßplatze 167981 (unter Beihilfe von

Smids), das Danckel-

mannsche Palais, späteres Fürstenhaus, Derfflinger- sches Haus am Cöllnischen Fischmarkt 4, den Jäger- hof am Hausvogteiplatz, eine Reihe von Wohn­häusern in der Friedrich­stadt und den Rathausbau an der Spandauer Straße bestimmend für die Rich­tung der Berliner Kunst war1) (Abb.­ 9 0). (Ob wohl wahrscheinlich ein Holländer, hatte er doch seine künstlerische Richtung an den italienischen Bauten gewonnen, die er auf wieder­holten Reisen kennen gelernt hatte. Trotzdem ist ihm die strenge Systematik der holländischen Kunst nie verloren gegangen; sie verdichtete sich zu einer abgewogenen Formensprache, die knapp im Ausdruck und mit einem lebhaften Gefühl für rhythmische Gliederung, doch auch Neuerungen nicht abhold war, sie jedoch nur mit äußerster Zurück­haltung anzuwenden wußte. In der Beschränkung auf wenige und nur mit mathe­matischer Logik angewandte Baumittel lag die Hauptstärke der Nehringschen Kunst, die ihre Wirkung architektonisch zu erweitern verstand, wenn sie geeignete Hauptglieder aus der ebenen Fassade heraussonderte.

Diese Kunst entsprach wohl sicher dem Geschmacke der Berliner Bevölkerung, die durch die französische Einwanderung ein stärkeres Gefühl für den Rhythmus empfangen hatte, und die den üppigeren Klängen der kurfürstlichen Hofkunst nur mit Betonung ihrer

Abb. 90. Berliner Rathaus. Von J. Nehring.

Nach einem alten Stiche.

Schlüters Wirken in Petersburg", Berlin 1901, auf Grund persönlicher Nachforschungen berichtet.

1. ) Zentralblatt der Bauverwaltung XV, Nr. 45