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einmal wissen, wieweit wir in vielen Fällen seine Hand von der seiner Gehilfen zu trennen haben; so hat seine machtvolle, künstlerische Persönlichkeit doch den ziellos wirkenden Kräften in Berlin Richtung und Programm gegeben. Im Sommer 1694 kam Schlüter aus Polen und trat mit dem verhältnismäßig hohen Gehalt von 1200 Talern jährlich in den Dienst des Kurfürsten; er kam als Bildhauer und Lehrer der von dem Kurfürsten beabsichtigten Akademie, der sogenannten Bildhauer- und Malerschule, nach Berlin. So wichtig es für die Zukunft war, daß die einflußreichste künstlerische Persönlichkeit zunächst als Bildhauer erschien, so wird man seine umfassende Tätigkeit jedoch nur würdigen können, wenn man die künstlerische Richtung ins Auge faßt, die er bei seinem Eintritte vorgefunden hat.
Wie Memhard unter dem Großen Kurfürsten, so war Joh. Arnold Nehring unter seinem Nachfolger die führende Künstlerpersönlichkeit, die in manchen Aufgaben: Leipziger Tor 1683, die Kaufläden auf dem Schloßplatze 1679—81 (unter Beihilfe von
Smids), das Danckel-
mannsche Palais, späteres Fürstenhaus, Derfflinger- sches Haus am Cöllnischen Fischmarkt 4, den Jäger- hof am Hausvogteiplatz, eine Reihe von Wohnhäusern in der Friedrichstadt und den Rathausbau an der Spandauer Straße bestimmend für die Richtung der Berliner Kunst war1) (Abb. 9 0). (Ob wohl wahrscheinlich ein Holländer, hatte er doch seine künstlerische Richtung an den italienischen Bauten gewonnen, die er auf wiederholten Reisen kennen gelernt hatte. Trotzdem ist ihm die strenge Systematik der holländischen Kunst nie verloren gegangen; sie verdichtete sich zu einer abgewogenen Formensprache, die knapp im Ausdruck und mit einem lebhaften Gefühl für rhythmische Gliederung, doch auch Neuerungen nicht abhold war, sie jedoch nur mit äußerster Zurückhaltung anzuwenden wußte. In der Beschränkung auf wenige und nur mit mathematischer Logik angewandte Baumittel lag die Hauptstärke der Nehringschen Kunst, die ihre Wirkung architektonisch zu erweitern verstand, wenn sie geeignete Hauptglieder aus der ebenen Fassade heraussonderte.
Diese Kunst entsprach wohl sicher dem Geschmacke der Berliner Bevölkerung, die durch die französische Einwanderung ein stärkeres Gefühl für den Rhythmus empfangen hatte, und die den üppigeren Klängen der kurfürstlichen Hofkunst nur mit Betonung ihrer
Abb. 90. Berliner Rathaus. Von J. Nehring.
Nach einem alten Stiche.
„Schlüters Wirken in Petersburg", Berlin 1901, auf Grund persönlicher Nachforschungen berichtet.
1. ) Zentralblatt der Bauverwaltung XV, Nr. 45