Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
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zu dem Handwerke, das nach dem Frieden von Osnabrück durch niederländische und französische Einwanderung sich fast gänzlich neu organisierte, blieben bestehen. Und doch gewann die Kunst bald innerlich und äußerlich ein anderes Gesicht. Neue Kräfte kamen in das Land, die Träger italienischer und französischer Kunst waren, die zum Teil eine recht strenge formalistische Schule vertraten, zum Teil durchaus realistisch gerichtet waren, die aber gemeinsam einer prächtigen Hofkunst zustrebten. Im Volke hatte sie keinen Boden; die landfremden Künstler machten vielleicht mit Ausnahme Schlüters nur vereinzelt (Abb. f04) den Versuch, an die im Lande bestehende Kunst anzuknüpfen. Sie wurde eine höfische Weltkunst wie in München, Wien, Paris und anderen Städten, wo sie mit der Zeit trotz ihrer engen örtlichen Begrenzung für größere politische Gebiete führend wurde. Das war in der großen Kunstöde, die seit beinahe einem halben Jahr­hundert über Deutschland lagerte, gewiß ein Gewinn, aber er barg die Keime einer doppelten Gefahr in sich. Das Konzentrieren an den Höfen entwickelte Höchstleistungen, die den zeitlichen und örtlichen Be­dürfnissen weit voraus waren, die wie in der Antike .es durchaus nicht für einen Mangel hielten, wenn wenige Schritte von einer Höchstleistung die Reste einer Volkskunst sich selbständig entwickelten, im an­deren Falle aber auf jede Kunst verzichteten. Für Berlin kam noch in Betracht, daß nach dem Fort­gange Schlüters die führenden Männer schwer Maß zu halten verstanden.

An anderer Stelle, besonders in den kleineren Ortschaften, sanken die bürgerlichen und bäuerlichen Kunstüberlieferungen, die zwar gedämpft, aber doch immerhin noch lebens- und entwicklungsfähig waren, in den Augen der residenzlichen Zeitgenossen zu einer barbarischen Untergrundkunst zurück. Bei dem Tode Friedrichs I. war der Abstand zwischen der bescheidenen Handwerkerkunst weitester Kreise und der höfischen Residenzkunst gefährlich groß geworden und mußte aller Voraussicht nach damit enden, daß diese nach ihrem Inhalt immer dürftiger, in ihrer Form immer üppiger wurde und schließlich auch die vorhandenen älteren Ansätze überwucherte. Diese Gefahr konnte allem Anschein nach nur dadurch vermieden werden, daß die treibhausartige Geschwindentwicklung wieder auf ein mäßiges Tempo zurückgebracht, und die Kunst selbst auf eine ruhigere Bahn geleitet wurde, auf der das brandenburgische Volk die neuen Gedanken in sich aufnehmen, verarbeiten und mit den überlieferten Kunstanschauungen vereinigen konnten.

Diese Aufgabe war der Zeit Friedrich Wilhelms I. vorbehalten.

Abb. 104. Hölzerne Tür an der Pfarr­kirche zu Königsberg (N.-M.)

Nach Aufnahme von tzofphotograph L. Alb. Schwartz. Berlin NW. 87.

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