Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
Seite
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fürstlichen Zeit wegsührte. Diese Wandlung war um so wahrer, notwendiger und nachhaltiger, als sie auf allen geistigen und wirtschaftlichen Gebieten einsetzte und daher auch die Kunst zu einem wirklichen Ausdruck der Zeit machte. Für die geschmeidige Kunst eines Losander bedeutete der Umschwung nur einen Wechsel des Arbeitsfeldes, der diesem eklektischen und leicht überall Boden fassenden Künstler gewiß leicht wurde; für einen Andreas Schlüter wurde er zur Tragik. Viel zu warm war er mit seinen Werken verknüpft, viel zu kräftig drang seine Arbeit in beinahe zwanzigjähriger Wirksamkeit in den Boden seines neuen Heimatlandes, als daß er leichten Herzens als alter Wann an andere Aufgaben hätte treten können. Für ihn war die veränderte Geschmacksrichtung nicht nur eine lästige und unbequeme Erschütterung seiner äußeren Künstlerstellung, für ihn bedeutete sie einen schwereren Schlag als die vor sieben Jahren erfolgte Entfernung aus dem Amte; für ihn war der schroffe Wechsel ein Schlag ins Herz; er sah endgültig die Hoff­nungen eines Künstlerlebens auseinanderrinnen. Als ein gebrochener Greis kam er nach St. Petersburg; sein Leben, sein Streben, seine Kunst lagen hinter ihm; nur die Hoffnung auf eine bessere Würdigung seiner Kunst muß er wie jeder echte Künstler mit ins Grab genommen haben, während Eosander noch über ein Jahrzehnt in der Gnadensonne des sächsischen Hofes eine geachtete Stellung einnahm.

Obwohl dem Könige persönlich die Walerei näherstand, hat seine Zeit doch am tiefsten Spuren in der Baukunst hinterlassen. Sein Bestreben ging vor allem dahin, die Berliner Kirchen durch die Erbauung neuer Türme architektonisch dem Stadtbilde ein­zufügen, was den Straßen und Plätzen um so mehr zugute kam, als die typischen, meist zweistöckigen Fassaden sich in der durch Grüneberg beeinflußten rhythmischen Horizontal­entwicklung hielten. Erinnern wir uns zunächst, daß Berlins Neustädte durchaus regel­mäßige Straßenzüge hatten, daß sie aber durch die Wallanlagen des Großen Kurfürsten von dem älteren Stadtkern abgeschnitten waren. Noch immer schied sich das Alte vom Neuen, das kaufmännische vom residenzlichen Berlin durch eine steinerne Barre, durch die einzelne prunkende Tore wie Wegweiser zum Schlosse hindurchführten. Friedrich Wil­helms im Grunde genommen demokratischen Neigungen standen sie um so mehr im Wege, als die Größe der Stadt einen wirklichen Befestigungswert ausschloß. Er zog darum eine umfangreiche Wauer um die Königstadt, die aber mehr eine Sperre für Landstreicher und für Zollhinterziehungen war und aus diesem Grunde nur aus einer einfachen Wauer bestand. Einfache, nur mit kriegerischen Emblemen geschmückte Pfeiler bildeten das Brandenburger, Potsdamer, Hallesche, Cottbuser und Schlesische Tor recht geringer Ersatz der prächtigen alten Leipziger und Cöpenicker Tore, aber sie bildeten doch für die geraden, mit einfachen Wohngebäuden gesäumten breiten Straßen einen verhältnis­mäßigen Abschluß, die sich sonst ohne Ziel und Richtung in der Ebene verloren hätten. Jetzt wuchsen auch in den Straßenzeilen überaus schlanke Kirchtürme auf, die in ihrer Vertikalentwicklung einen strengen, aber auch architektonisch gesteigerten Wechsel aus der Horizontalen in die Vertikale bildeten. Die Türme der Jerusalemer-, Sophien-, der alten Petrikirche, die Rundbauten der Böhmischen und Dreifaltigkeitskirche sind zum Teil noch heute Zeugnisse dieser einfachen Architektonik. Dagegen blieben der Pariser Platz, dem in dem Brandenburger Tor erst Ende des Jahrhunderts ein Abschluß geschaffen wurde, der Dönhofs- und Wilhelmsplatz und der Gendarmenmarkt, dessen Anlage von