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Das Rokoko Friedrichs II.
Ist die Zeit von dem Großen Kurfürsten an bis zu den ersten Jahren Friedrich Wilhelms I. künstlerisch durchaus plastisch gesinnt, so wechselt sie unter seinem Nachfolger in eine malerische Richtung um. Sie überwand indessen die Gefahr, die in der rücksichts- losen Anwendung malerischer Grundsätze auf die Architektur liegt, durch die noch immer lebhafte, wenn auch vereinseitigte Schulung durch die italienische Renaissance. Aber das Studium der alten Denkmäler hatte einen besonderen Einschlag, weil die Künstler schon die landschaftliche oder architektonische, also eine zeitlich spätere Umgebung, ins Auge faßten. Unversehens kam man dabei aus einer plastischen Bauweise zu einer mehr zweidimensionalen, wenn auch ihre schroffste Wirkung, das Überschätzen der Linie, erst im 19. Jahrhundert eintrat. Immerhin war doch schon unter dem Könige Friedrich II. der Weg dahin vorbereitet durch die Vorliebe für ein leichtes Rahmenwerk, dessen lose Grenzen ein sprudelndes, geistvolles Kleinleben umschlossen, das aber mit der Zeit jeden Zug ins Große, in das Monumentale verhinderte.
Schon die Kunst des Vorgängers zeigte die Abkehr von dem großen architektonischen Rhythmus zu einer ruhigen Klarheit; aber sie blieb wenigstens noch schematisch bei der Anwendung von Säulen, Architraven, Pfeilern und plastischen Fensterumrahmungen. Oft freilich verflüchtet sich — selbst bei Gerlach! — die kräftige Modellierung zu einer flachen, aber eleganten Zierkunst. Die Vorherrschaft der holländischen Richtung mit ihren glatten Ziegelwänden und scharfen Linien trug weiter dazu bei, das Ornament von der Architektur loszulösen und auf die Türen und das Gitterwerk zusammenzudrängen. Großen Einfluß hat darauf auch die Überschwemmung des europäischen Kunstmarktes mit Porzellan gewonnen, das allmählich die ganze Baukunst unterminierte, bis sie selbst in ihren vornehmsten Äußerungen von der Porzellankunst erfüllt war.
Friedrich selbst, der bekanntlich die tändelnde, in ihrer äußeren Erscheinung scharf geschliffene Sprache Moliéres und Voltaires lieber als die vollen Laute seiner Muttersprache bevorzugte, war durch seine musikalische Neigung durchaus empfänglich für die Schönheit des Porzellans, dessen flüssigen, ins Große übertragenen Geist die einzigartige Schöpfung Sanssouci bewahrt. Er sammelte ja nicht nur viele und gute Porzellane; unermüdlich strebte er auch dahin, der berühmten, auf der Höhe des Ruhmes stehenden Meißener Manufaktur die Geschäftsgeheimnisse zu entreißen und mit ihrer Hilfe in Brandenburg ebenbürtige Fabriken zu schaffen. Nach einigen1 verunglückten Unternehmungen, von Wegely 1750 und von Gotzkowsky 1761, gelang es in der Tat, in Berlin ein gleichartiges, künstlerisch einwandfreies Porzellan herzustellen. Nicht zuletzt entsprang dieser Porzellankunst der Zug in das Spielerische, Weiche, Glänzende und Tändelnde, der dem friderizianischen Rokoko eigen ist.
Das sind jedoch nur Quellen der friderizianischen Kunst, die durch größere Erschütterungen frei gemacht wurden und nun in dem allgemeinen Wandel mitwirkten. Vorbereitet war sie durch das Zusammenströmen großer gewerbetreibender Kräfte innerhalb eines verhältnismäßig engen Raumes. Sie sahen in den Taten ihres Königs nicht
1) Von der Görneschen Manufaktur in Plaue 1713 zu schweigen.
Brandenburgische Landeskunde. Bd. IV. 9