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nur Vorbilder, denen sie im kleinen und einzelnen nachstreben konnten, sondern für sie schuf jener, den Überlieferungen seines Vaters folgend, geradezu jene schmucken Häuser, die in Berlin, Potsdam, Luckenwalde und anderen Städten einer rührigen und fleißigen Bevölkerung offenstanden. Erst unter seiner Regierung kamen die seit Anfang des Jahrhunderts in Preußen lebhaften volkswirtschaftlichen Bestrebungen soweit zur Blüte, daß sie nicht nur veräußerlichende Werte schufen, sondern auch dem Erzeuger selbst als Ausstattung zugute kämm. Das ist nicht ganz nebensächlich; denn der Mittelpunkt der sride- rizianischen Kunst war der Innenraum, der selbst als Straße und Platz als nichts anderes erscheint, für den die Hauswandungen nur eine perspektivische Grenze sind. Vom Hause aus betrachtet, erscheinen die Wandungen als Rahmen. Große Raumstimmungen mit starken Licht- und Schattenwirkungen, wie Friedrich I. sie bevorzugte, sind unter seinem Enkel nicht geschaffen worden. Dieser liebte das einzelne, das Kleine, das den Innenraum zu einem intimen, auch farbig wohldisziplinierten Wohnraum macht, dessen durch Gold, Weiß und Spiegel hervorgerufene unruhige Wirkung durch zartbsmalte und bewebte Möbel, durch Wandbilder und Porzellan, Bronzen oder andere Klein- gegenstände aufgehoben wird. Die Fläche herrscht auch hier; architektonische Gliederungen sind so flach, daß sie in die Fläche zurückzusinken scheinen, die ihrerseits wieder aus ornamentalen Einzelheiten besteht und nur scheinbar eine Einheit bildet.
Eine leise Unruhe vibriert durch diese Kunst; aber sie schlägt sich nieder als ein Leben, dessen Stillstand nur auf das nahe bevorstehende Ende deutet, das ja auch bald eintrat; denn das, was ihr Frische gab, der feine Schmelz des Ineinanderfließens, geht der Kunst in dm späteren Lebensjahren des Königs verloren, weil sie, wie jede Innenkunst, nur von der Änderung lebt. Sowie sie feste Normen hat, was Spätere einen Stil nennen, beginnt die Erstarrung. Da wird das Spiel zur Spielerei, der Überfluß zur Übertreibung, zu einem umgekehrten, ängstlichen Barock. Wie der Staat dereinst an Friedrichs Größe zugrunde ging, starb das friderizianische Rokoko, weil es zuviel Leben hatte, für das ihm die Adern fehlten. Daß es nicht zu seinen Lebzeiten dem Verhängnis verfiel, hatte seine Ursache in äußeren Bewegungen, die seinen Weg kreuzten, bevor es seinm Höhepunkt erreicht hatte.
Des Königs Kunstauffassung war zudem beeinflußt durch philosophische Betrachtungen, die auch in dem höheren Kunstwerke zunächst nur schöne Illusionen sah. „Einen Zauberpalast" nannte er ja selbst das Knobelsdorffsche Opernhaus. Wie er aus seinen Zeitgenossen herauswuchs, so entglitt ihm in künstlerischer Hinsicht in späten Tagen der Zügel, mit dem er glaubte eine Kunst geschaffen zu haben. Schon seit den Rheins- berger Tagen, als er sich mit der Ausschmückung seines Schlosses beschäftigte und im Umgänge mit Knobelsdorfs tiefere Einblicke in das Wesen der bildenden Kunst erlangte, kam er zu der Vorstellung, die ihn Zeit seines Lebens nicht verließ, daß die Form in der Kunst alles, der Stoff ein untergeordneter Faktor sei. So sind denn später viele seiner Bauten aus recht vergänglichem Materiale erbaut, das der Witterung und der Zeit nicht immer genügend widerstand bot; so ist aber auch seine künstlerische Unzufriedenheit zu verstehen, die immer wieder zu ändern suchte und zu schweren Konflikten mit seinen Künstlern führte.
Freilich kommt noch ein äußerer Umstand hinzu, über den sich der König wohl