Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
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nie ganz Rechenschaft gegeben hat. Schon seit Anfang des Jahrhunderts sind die alten, aus dem Handwerk hervorgegangenen Werkmeister zurückgedrängt worden zugunsten der künstlerischen Talente, die geist- und erfindungsreich auf dem Papiere gestalten konnten, die aber der eigentlichen Baupraxis recht ferne standen. So gewann eine Archi­tektenschule Herrschaft, die solange sie sich auf tüchtige Werkmeister stützen konnte diesen Mangel verdeckte, die aber auch oftmals schwere Schädigungen herbeiführte. Der Einsturz des Münzturmes, der Türme der Parochial- und Petrikirche, und später der Neuen Kirche Gontards, sind erkennbare Wirkungen dieses Systems, das sicher auch im kleinen nicht versagte und wie eine ständige Inkonsequenz durch die Baugeschichte des Rokoko läuft.

In Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff hatte der König den Mann gefunden, der mit reicher Erfindungsgabe, künstlerischem Takte und mit hohem Selbst­vertrauen den Bauabsichten des baulich stark interessierten Königs entgegenkam, dem man ja ob mit Recht, ist noch immer nicht erwiesen vielfach den ersten Entwurf seiner Schöpfungen zuweist. Jedenfalls ging er, nachdem er schon in seiner Kronprinzenzeit tätigen Anteil an der Knobelsdorffschen Vollendung des Schlosses Rheinsberg ge­nommen hatte, mit Eifer daran, seine Residenzen Berlin und Potsdam umzugestalten. Die Anlage der Dorotheen- und Friedrichstadt war längst durch eine Anzahl von Bauten gefördert worden. Die vielen Lücken zu füllen und diese Vorstädte dem Stadtbilde organisch anzugliedern, war Friedrich Vorbehalten. Seine städtebaulichen Anschauungen gingen nicht mehr allein auf italienische Vorbilder zurück, sondem waren ebenso von französischen wie englischen Einflüssen abhängig. In dem Schwanken über die Ge­staltung der Plätze kann man eine Folge dieser verschiedenen Anregungen erkennen. Der von Knobelsdorff zuerst begonnene östliche Abschluß des Platzes am Opernhause, der vor der Errichtung des Bibliothekbaues sein Gegenüber in einem palaste des Prinzen von Schwedt hatte, stand noch völlig unter den Nachwirkungen der alten gesunden Berliner Überlieferung, d. h. es ging die Verkehrsstraße nicht über die Fläche, sondern lief neben ihm vorbei. Von s7Hl bis f743 wurde dann das Opernhaus erbaut, bei dem Knobelsdorff als Frucht seiner italienischen Studien mit Glück wieder auf die Säulen­anlage der Antike zurückgriff und ein ebenso monumentales wie vornehmes Bauwerk schuf. Wahrscheinlich geht der Entwurf des dem Platze gegenüber errichteten Palastes des Prinzen Heinrich, den Johann Boumann d. A. erbaute, auch auf Knobelsdorff zurück, dessen kühner Gesamtplan nichts weniger als die Schöpfung eines modernen Forums erstrebte. Im Hintergründe des Platzes erstanden nach persönlichen Entwürfen des Königs mit starker Anlehnung an St. Maria Rotonda in Rom die St. Hedwigs- kirche und neben dem Heinrichspalast die Akademie von Boumann d. A. in ihrer endgültigen Form. Erst verhältnismäßig spät wurde als Abschluß des Platzes am Opernhause 1775 die Bibliothek mit ihrer wunderlichen Fassade errichtet, für deren Form der Wiener Baumeister Fischer von Erlach verantwortlich gemacht wird. Der Abstand der Bauzeiten ist klar ersichtlich durch den Vergleich mit dem Opernhause. Hier antike Überlieferung, soweit eine solche damals möglich war, dort ein Versuch, das zur Herrschaft gelangte Rokoko einmal in einer monumentalen Fassade anzuwenden. Der Versuch schlug fehl; nur der starke Säulenbau in der Mitte konnte die Schwächen der

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