Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
Seite
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Der Plan des Architekten Bourdet, hier ein zweites Forum anzulegen,1) ist zwar nicht zur Ausführung gelangt, dafür aber ist der Platz den umgebenden Straßenzügen ein­gegliedert worden, die mit breiter Regelmäßigkeit seine Grundform bestimmen. Als eine Hinterlassenschaft seines Vaters hatte der König den ziemlich verwahrlosten, zum Teil mit recht unansehnlichen Bauwerken umzogenen und bestandenen Platz über­kommen. hier lag die große Gefahr vor, daß die zwei, den Platz durchquerenden Straßen ihn vorweg in mehrere Teile zerreißen könnten, oder daß durch eine geschlossene Bauschöpfung eine Konzentration geschaffen wurde, zu dem die Riesengröße des Platzes niemals einen geeigneten Rahmen hätte abgeben können. Friedrichs Pläne gingen daher von der natürlichen Tage aus, in dem sie vorweg zwei große Monumentalbauten auf dem südlichen und nördlichen Platzteil ins Auge faßten und für den mittleren Teil einen horizontalen Bau vorsahen, der jene miteinander in Beziehung setzte, sie aber nicht in der Wirkung beeinträchtigte. Daß dieser Mittelbau erst später durch Schinkel seine künst­lerische Vollendung erhielt, tut der Großartigkeit des planes keinen Abbruch. Die Ent­würfe für die beiden Kirchtürme stammen von Gontard, der 1731 in Mannheim geboren, und aus bayreuthischen Diensten 1764 nach Preußen kommend, in Mannheim und Bayreuth hervorragende Architekturbilder kennen gelernt hattest Seine ersten Werke im Dienste des Königs entstanden in Potsdam. In Berlin setzte seine Tätigkeit mit dem Bau von Wohnhäusern 1775 am Gendarmen-Markt ein, der j180 die Erbau­ung der beiden Kirchtürme folgte. Bekanntlich stürzte der eine 1781 ein, doch wurden sie unter Gontards Mitwirkung von seinem Schüler Anger und Becherer in seinem Geiste vollendet.

Zu den Fassaden der umgrenzenden Straßen hatte auch Anger, 1743 in Bayreuth geboren, eine große Zahl von Entwürfen geliefert, die auch ohne die beratende Mitwirkung Gontards sich seiner künstlerischen Führung eingliederten. Wie trefflich sich diese dreistöckigen Häuser3) der Gesamtstimmung einfügten, ist erst durch ihre Zer­störung und ihren Ersatz durch moderne Gebäude klar geworden. Der Gendarmen- Markt ist ganz gleichgültig, ob bei seiner Erstehung diese oder jene Anlage dem Künstler und dem Könige vorgeschwebt hat so natürlich und mit feinem Verständnis für die örtliche Eigenart aus den gegebenen Verhältnissen heraus entwickelt, daß man ihn eine der gewaltigsten Architekturschöpfungen aller Zeiten nennen darf. Man hat zwar getadelt, daß beide Türme mit ihren zahlreichen Freitreppen und Säulenbauten nur Dekorationen seien, ein recht kleinlicher Standpunkt, der es übersieht, daß die schönsten Architekturschöpfungen (man denke an die Säulenverschwendung griechischer Tempel oder an die gotischen Münstertürme!) mehr oder minder mit einer Zugabe architek­tonischer Gliederungen geschaffen worden sind. Unsere Zeit ist hier gewiß zurückhaltender, in der Rokokozeit aber war ja gerade die Richtung auf diese äußere Form zugespitzt, sonst hätten wir sie sicher nicht gehabt.

1) Siehe Borrmanns Ausführungen auf Grund der Zeichnungen im Geh. Staatsarchiv in dem Inventar.

2 ) Er starb nach anderen erst 1802 in Breslau. Sein Leben und seine Werke sind geschildert in P. Wallé, Leben und Wirken Karl von Gontards. Berlin 1. 8 91 2) Darunter die Gontardsche Lotteriedirektion.