Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
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baren Ruhepunkt gegeben. Niag man auch für den Typus dieser Tore das römische oder französische Vorbild suchen, das es, nebenbei gesagt, nicht gibt, so zeigt dieser einzige künstlerische Zug, wie unmittelbar das Bauwerk aus den örtlichen Umständen heraus­gewachsen ist, und wie fein die Künstler ihnen Rechnung getragen haben. Noch ein anderer Umstand zeigt, daß diese und die Potsdamer Torbauten durchaus selbständige Schöpfungen sind. Das ist ihre Prospektwirkung von der Straße aus; sie wollen von innen aus nicht von außen her! betrachtet werden; im engsten Zusammenhangs mit dem Straßenbild, im Segensatz aber zu älteren Toren, die für den äußeren Anblick berechnet sind, sind sie komponiert.

Dieselbe Vorstellung hat auch bei den zahlreichen Brückenbauten gewaltet, mit denen oftmals ein Torbau verbunden war. Ein Torbau selbst hätte der ästhetischen Bedeutung ebensowenig entsprochen wie der sachlichen. Darum entwarf Gontard bei der Spittelbrücke, deren Bau ihm 1776 übertragen wurde, zwei an den Seiten der Straße gelegene, im Grundriß halbkreisförmig gestaltete Kolonnaden, die sich an der

Straße mit viereckigen Pavillons öffneten. Es ist der alte Propyläengedanke, der aber an Stelle der Wachtgelasse kleine Läden setzt, wie es sich für eine gewerbstarke Stadt ge­ziemt. Daß sie zugleich eine königliche Resi­denz ist, das deuten die heiteren Formen an, die in den ionischen Säulen und Pfeilern, den Vasen und Aufbauten über der Brüstung emporwuchern. Die zwei Zahre später be­gonnene Königskolonnaden zeigen dieselbe festliche Anmut, die hier nur offener zutage trat, weil sich hinter ihnen ein starker Baum­wuchs erhob.1) Auch die Jägerkolonnaden hielten sich im wesentlichen an die letztere Form, wenn sie auch weniger aus der Fassade hervorragt als die beiden elfteren (Abb. 118). Seinen guten künstlerischen Blick zeigte der König auch bei seinen Bauschöpfungen in Potsdam, obwohl er sich pietätvoll an die Grundlage hielt, die ihm durch den Straßen­plan seines Vaters vorgezeichnet war. Vielleicht hat er aber hier, wo seine Tätigkeit im allgemeinen recht früh und umfassend einsetzte, den Blick für die großen Aufgaben in Berlin gestärkt. Mit der künstlerischen Gestaltung Potsdams ist der König indessen enger verknüpft als seine Vorfahren, die doch mit Vorliebe diese Residenz verschönerten. Wenn man all die kleinen Züge übersieht, die uns urkundlich von seiner Sorge um die Stadt überliefert sind, dann wird es klar, daß kaum jemals ein Stadtorganismus so viel persönliche Einwirkung seitens eines Herrschers erfahren hat, wie Potsdam.2) Der

1) Sie sind 1911 abgebrochen und ein Jahr später als Eingang in den Kleist-Park in der Potsdamer Straße wieder ausgerichtet worden.

2) Schon einige Zahlen sagen dies. Manger, einer seiner Architekten, hat berechnet, daß er 5322912 Taler für seine Schlösser und 4751038 Taler für städtische und bürgerliche Häuser aufgewendet habe, was insgesamt etwa 75 Millionen Mark nach heutiger Rechnung bedeuten würde.

Abb. 117. Rosenthaler Tor in Berlin. Von Cbr. Unger.

Nach Aufnahme von hofpbotagrapli L. Alb. Schwartz. Berlin bIW. 87.